Das Thema Social Communities scheint nicht nur mich intensiver zu beschäftigen. Diese Woche ist im Wirtschaftsteil der Zeit ein ganzseitiger Bericht über Facebook zu finden (Artikel der Zeit hier). Der Journalist Götz Hamann wagte den Selbstversuch, sich dort anzumelden und einen Erfahrungsbericht, von ganz tief drin, zu schreiben – auf den Spuren von Günther Wallfraff sozusagen. Wie von der Zeit auch nicht anders zu erwarten, ist der Artikel recht sozialkritisch. Meines Erachtens allerdings zu recht. Wer weiß denn schon, was mit den vielen Informationen, die man über sich freiwillig ins Netz stellt, gemacht wird. Götz Hamann macht sich hier hauptächlich Gedanken über die Werbeindustrie, die nun endlich die Möglichkeit hat, ihre Werbung nun fast Streuverlustefrei zu schalten.
Aber ich meine, man sollte sich noch ganz andere Gedanken machen. Wie viele, hauptsächlich jüngere, Nutzer geben mehr oder weniger alles von sich preis, laden lustige Fotos von sich und ihrem Leben auf, stellen offenherzig ihre Lieblingsbücher (für die, die überhaupt noch Zeit für dieses, ihres Erachtens wohl antiquitierte, Kulturgut haben) und Musik in Listen zusammen fassen oder eröffnet offenherzig, welche Partnerwahl man für sich selbst bevorzugt bzw. ob man zur Zeit in einer glücklichen Beziehung oder gerade auf der Suche nach einem neuen LAP ist, sodass die Freunde und die ganze Welt sehen können, was denn so die eigene Interessenslage ist. Natürlich lassen sich solche Informationen nur für aktzeptierte Freunde des Netzwerks sichtbar machen. Aber scheinbar haben recht viele das Bedürfnis, sich in all ihrer Pracht der ganzen weiten Welt zu präsentieren.
Mir ist nicht ganz klar, ob das natürlicher Exibitionismus, Unwissenheit oder ein versehentlich gemachter Haken in einer Checkbox ist. Aber scheinbar machen sich diese Menschen keine Gedanken, was das für Konsequenzen haben kann. Also, ich freue mich schon auf das erste Mal, wenn ich eine Dame, die sich für einen Job in unserer Firma beworben hat und deren etwas zu offenherziges Profil ich in einer der diversen Communities gefunden habe, interviewen werde. Normalerweise stellt man ja diese ganzen Psychofragen, wie „wo wollen Sie in zehn Jahren beruflich sein“ oder „was sind Ihre Schwächen oder Stärken“. Normalerweise reichen diese Allerweltsfragen, um den Großteil der Bewerbern Stressauschlag am Hals hervorzulocken. Wie wird es dann erst sein, wenn ich frage: „und dieses Tatoo, dass Sie sich kürzlich im Schambereich haben stechen lassen, Sie wissen schon, die kleine Rose mit dem Namen Ihres neuen Freundes, Kevin glaube ich heißt er, ist das jetzt gut verheilt oder müssten wir uns als Firma Sorgen machen, dass Sie aufgrund der gereizten Haut und den üblen Komplikationen, die sie kürzlich in ihrem StudiVZ Profil beschrieben haben, die Stelle erst in ein paar Monaten antreten könnten? Aber das Motiv ist super, da haben sie einen guten Tätowierer gefunden…“ 🙂
Was ich damit sagen will: Ich denke, viele sind sich gar nicht bewußt, welche Auswirkungen ein zu offenherziges Profil haben kann. Aber solang der Hype anhält muss man, fürchte ich, in zumindest einem der Netzwerke vertreten sein. Und wenn es nur zum Mitreden ist. Wie ich bereits im vorherigen Post erwähnt habe, ist das ordentliche Führen eines solchen Profils wirklich Arbeit. Da müssen (wohlausgewählte) Fotos, ein Kurzprofil hochgeladen werden und am Besten sollten man auch täglich irgend etwas von sich posten oder täglich seine Nachrichten abrufen und beantworten. Wie gesagt, für mich ist das nichts anderes als eine Art künstlicher Stress, dem man sich wohl oder übel unterwirft, um sagen zu können, auch dazu zu gehören. Andere Menschen (wie Robert) hingegen, nutzen gleich mehrere dieser Netzwerke regelmäßig und konsequent und ich habe das Gefühl, dass er damit nicht nur keine Schwierigkeiten, sondern auch richtig Spaß daran hat. Es vergeht kaum eine Woche, in der er mich nicht über ein neues, irgendwo aus einer dunklen Ecke des Internets aufgepopptes, mir noch völlig unbekanntes Netzwerk eine Einladung schickt. Mittlerweile ignoriere ich diese. Wie gesagt, man muß, nein, man KANN nicht überall vertreten sein. Auch wenn ich nicht selten das Gefühl habe, ein bisschen etwas zu verpassen. Zumindest habe ich zwei andere Bekannte von denen ich weiß, dass sie mit Hilfe dieser neuen Art des Networkings, eine Zeit lang ein ziemlich promiskures Leben geführten. Scheinbar kann man also mit Hilfe von Social Networks echten Spaß im richtigen Leben haben.
Wen es übrigens interessiert, ich bin in folgenden Netzwerken zu finden
- Xing.com
- 100Partnerprogramme
- Plaxo
- yingiz
- Del.icio.us (wenn man das überhaupt als Social Netowork bezeichnen kann. Aber es ist Web 2.0! 😉 )
Ich glaube das reicht, um gut genug verkabelt zu sein. Wer mich dort sucht, kann dort mein „Dude“ werden, wer es noch nicht ist. Bitte Parole „grüner Kakadu“ angeben. Dann weiß ich, dass es ein treuer Leser meines Blogs ist. Ich freue mich über interessante neue Onlinebekanntschaften, gerne auch mit Rosen-Tattoos an exquisiter Stelle, wenn Fotos vorhanden 😉
Kontakte pflegen(täglich) ist zeitaufwendig. einmal Pro Woche ist schon genug.
Mann muss viele Mails und Nachrichte lesen, geeigneten Einladung akzeptieren und nach neuen partnern suchen.
Aber es ist ein einfachster und neuester Weg.
Das Leben von nächsten Gegerationen kann wegen der Technologie anders sein.
Hallo Herr Münzner,
ich weiß genau auf welche Passagen Sie sich hier beziehen und muss ergänzend noch anfügen das erste Anzeichen einer totalen Vernetzung schon in Huxley´s „brave new world“ angeführt wurde und hier sozialkritisch die ausgrenzung der „andersartigen“ behandelt wurde.
Ihr grosser Blogneider
Rob
Falsch! Nicht Blogneider, ALPHA Networker! Du solltest das als großes Kompliment nehmen. Wie gesagt, ich bin mehr der IRL Networker… und das als Onliner 🙁
Hey Thomas,
das mit der Bewerberin hättest mal erzählen sollen, bevor sie da war. Ich glaube, dann heute ich beim Hallo-Sagen zu sehr gegrinst. Ziemlich locker.