Herrentasche-Papa

Der moderne Mann von heute trägt ein Herrentäschchen. Hier bei Freizeit, Sport und Spiel mit dem lieben Nachwuchs.

Schon im Boarding Bereich unseres Fluges nach Riga war es nicht zu übersehen. Der osteuropäische Mann trägt Herrentaschen. Man kennt sie auch bei uns, diese etwas zu klein gearteten Täschchen, die über die Schulter getragen werden und ein unglaublich lächerliches Bild abgeben. Ein ernstzunehmender Mann mit Testosteron in der Blutbahn und Haaren an Brust und Beinen, trägt so etwas Affiges nicht. Handtaschen sind etwas für Frauen, damit sie den Kram, den sie bei Douglas und Co. gekauft haben, um sich diese Beautyprodukte kunstvoll ins Antlitz aufzutragen, zum Ziele jünger als ihr biologisches Alter wirken zu wollen. Natürlich sieht man ab und an Vertreter des starken Geschlechts mit diesen zu heiß gewaschenen Collegetaschen um die Schultern über Münchens Straßen schlendern. Männer, die mit einer diesen Herrentaschen in der Öffentlichkeit gesichtet werden, kann man allerdings in drei Kategorien einteilen, die alle nicht unbedingt dem klassischen mitteleuropäischen Männerbild entsprechen.

Da gibt es erst einmal den neureichen Selfmade Millionär aus einer der einstmals von Mao vom Kapitalismus befreiten Provinzen Chinas, der es mittels kostenoptimierten Einsatzes von billigen Wanderarbeitern ohne Rechte sowie dem Besitz des einzig wahren und richtigen Parteibuches und dem geschickten Gebrauchs der damit verbundenen Kontakte, zu so viel Wohlstand gebracht hat, dass auch mal eine kleine Europareise drin ist. Die dadurch günstige Gelegenheit, der Welt zu zeigen, wie ein real existierender Kommunist stilsicher aufzutreten weiß, nutzt er dann gerne, in dem er sich wie ein Pfingstochse mit teuren Markenprodukten behängt. Und was könnte da nicht besser die Bella Figura zwischen Gucci Brille, Cartier Chronograph und roten Armani Loafern mit Goldschnalle abrunden, als ein dezent platziertes Herrentäschchen von Louis Vuitton, welches den großen Vorteil birgt, dass Dank der auffälligen Bedruckung des feinen Leders und der vergoldeten Schnallen der Plebs von Weitem sehen kann, das lächerliche Ding hier um die Schulter kostet mehr als Du im Monat netto verdienst. Es sei noch kurz bemerkt, der normale chinesische Mittelstand Massentourist und damit der bei weitem größte Teil der asiatischen Reisefreunde, die Münchens Sehenswürdigkeiten milliardenfach mit Smartphones und Digitalkameras ablichten und ins Internet für die Daheimgebliebenen stellen, tragen praktische Freizeitjacken und Rucksack. Vielleicht weil ein Rucksack mehr Platz für eine Thermoskanne heißen, grünen Tees und die­ vielen Souvenirs bietet, die noch lange nach der großen Reise zu Hause an das Hofbräuhaus mit den riesen Biergläsern, das schöne Rathaus und die für chinesische Großstädte geradezu Kurort saubere Luft erinnern.

Der zweite Typ Mann, der für sich die Vorzüge einer Tasche für den Herrn entdeckt hat, ist ein osteuropäischer bzw. russischer Familienvater. Auch er ist nach ein paar schwierigen Jahren nach dem Fall der Mauer mittels ehrlicher Arbeit, Unterstützung der jungen, lupenreinen Demokratie und Nutzung von „Friends and Family“ Dienstleistern, die dank innovativer Inkassomethoden den Cash-flow der noch jungen Firma sicherstellten, zu einem Vermögen gekommen. Dieses reicht – das Schicksal hat es gut gemeint – zu etwas mehr als der Finanzierung einer Eigentumswohnung im Wohnblock 34 C in St. Petersburg sowie einer kleinen Datsche im Grünen. Nun steht er sozusagen vor den Trümmern seines Erfolgs. Zeitgleich mit dem Wohlstand wuchsen nicht nur sein Körperumfang, sondern auch die Ansprüche der Gattin und die der drei Töchter. Um diesen gerecht werden, reist die Familie also zum Shopping in die Luxusläden rund um die Maximilianstrasse, wo Swetlana, Nadja und die kleine Anuschka bei Louis Vuitton und Co. nach den neuesten Luxus Accessoires Ausschau halten können, Mamutschka einen neuen Zobel für den Winter findet sowie bei einem international anerkannten Beauty Experten, der auch schon Hollywoodgrößen unterm Messer hatte, die Lippen neu aufspritzen lässt. Und um das alles zu finanzieren, will der besorgte Familienpatriarch seine Bündel Dollarnoten sicher versorgt wissen, wenn er auf die überfüllten Straßen Münchens tritt. In seinen Kreisen ist nur bares Wahres. So eine schicke Herrentasche hat nicht nur den Vorteil eng am Körper anzuliegen und Gelbeträge jenseits eines besseren Taschengeldes verwahren zu können. So eine Tasche bietet auch noch Platz für weitere nützliche Utensilien wie ein kleiner Revolver zum Selbstschutz und dem neuen Vertu Handy. Wäre ja schade, wenn das 24 Karat vergoldete Teil im Gedränge vor dem Nationaltheater weg käme.

Ich will nicht ungerecht sein. Es sind nicht nur die oberen 10.000 männlichen Osteuropäer, die die Vorteile des Tragens einer kleinen Tasche entdeckt haben. Es sind alle. Ins besonders an heißen Sommertagen, wenn man ohne Jacke und mit Shorts durch das urbane Leben flanieren möchte, ist es für Männer nicht einfach, Portemonnaie, Haustürschlüssel und Smartphone sinnvoll zu verstauen. Und der gemeine Pawel und Branko aus den östlichen europäischen Hemisphären kümmert sich weniger um das perfekte Outfit, wenn er auf Besichtigungstour oder geschäftlich durch die Metropolen der Welt schlendert, als mehr um die Bequemlichkeit und den Komfort seiner Kleidung. Ihm reicht es völlig, wenn seine weiblichen Begleitung mit High Heels, sehr knapp geschnittenen Röckchen, zeigefreudigem Dekolletee und perfektem Make-up neben ihm her stöckelt, sodass jeder aufmerksame Beobachter sehen kann, dieser Herr investiert in seine Ladies, nicht in sich selbst. Hat er auch nicht nötig, denn er hat den Sex mit diesen Frauen gratis, wofür der durchschnittliche Westeuropäer entweder bei den Balzritualen schier unlösbare Anstrengungen unternehmen muss (Top Aussehen beim ersten Date, teures Candle Light Dinner im unverschämt teuren Szene Restaurant, neue Unterbüchs einer schwulen Underware Marke) oder, um es sich einfacher zu machen, diese, die Hormone in Schwingungen bringenden viel zu jungen Damen beim örtlichen Escortdienst für viel Geld zum Hotelzimmer dazu bucht, damit der häusliche Frieden nicht in Schieflage kommt. Der typische osteuropäische Mann trägt im Sommer also Herrentasche, weil, irgendwo muss Visum, Mastercard und die russische Ausgabe der 100 schönsten Biergärten ink. Stadtplan mit Wegbeschreibung zum Hofbräuhaus und Theresienwiese ja hin. In die kleinen Taschen der blauen Tennishose passt das alles nicht hinein und in der Brusttasche des beige gestreiften Kurzarm-Businesshemdes hängt ja schon die Prada Sonnenbrille. Da kommt eine sportlich – flache Herrentasche zu pass. Dass das braune Kunstoffleder nicht unbedingt zu den grauen Sandalen und schwarzen Socken harmoniert, geschenkt! Und, dass die Tasche nicht selten etwas verloren im Gegensatz zur Leibesfülle wirkt, was soll´s. Unser Freund aus dem Wodka Belt weiß, dass er es nicht nötig hat, sich über solche Petitessen einen Kopf zu machen. Er ist der Hahn in einem Korb voller Prädikatshühner, denen ohne Zweifel bei jeder Misswahl die Beauty Ehrenmedaille an die gemachten Brüste geheftet werden könnte. Mit diesem beruhigenden Wissen ausgestattet ist es auch zu verstehen, dass er es absolut nicht lächerlich findet, ein flaches, etwa Kindergartentaschen großes Etui seitlich um die Hüfte zu hängen, denn dieses Feature ist einfach clever und macht den Alltag angenehmer.

Die dritte Kategorie von Herrentaschenträgern sind jene homosexuellen Männer, die sich meist besonders extrovertiert geben und sich affektierte Manierismen zugelegt haben, sodass sie schnell wie aufgeschreckte Hühner wirken (in Fachkreisen gerne auch „Tucken“ genannt). Somit darf man sie eigentlich nicht zum Kreis der Taschenträger zählen, eher zu den Trägerinnen und Frauen tragen Handtaschen schon eh und je. Diese spezielle Sorte Mann trägt ähnlich wie der russische Oligarch eine überteuerte Gucci oder Versace Version der Umhängetasche. Aber nicht, weil sie so unsagbar teuer ist, sondern weil er dieses süße It-Bag vor kurzem beim Friseur in der Vogue gesehen hatte. Dort als zur Zeit heißestes Accessoire in den Fashion Metropolen New York, Paris und Mailand, getragen auf dem roten Teppich von Davis Backham oder Eros Ramazotti und wenn die sowas umhängen haben, muss das Ding einfach „gorgeous“ sein. Allerdings kennt man diese Spezies Mann auch als sehr modebewusst und stilsicher. Entsprechend legt er auch großen Wert darauf, dass er die Tasche, die ihn die Urlaubsreise nach Mykonos gekostet hat, richtig in Szene setzt. Deshalb sieht man ihn mit italienischen Wildlederslipper (hellblau, mit goldenem Bling-Bling drauf), rosé farbener Shorts und einfach geschnittenen weißem Leinenhemd (weit aufgeknöpft) durch das Glockenbachviertel stolzieren. Dezente Accessoires wie ein Lederriemen mit einem kleinen silbernen Anhänger, das fein geflochtene Lederband am rechten Handgelenk und die Ray Ben Sonnenbrille in das frisch geschnittene gescheitelte Haar gesteckt – et Voilá: wir haben den perfekt gestylten Bilderbuchpreppy á la Munich.

Wer mich kennt weiß, dass ich in keine der oben genannten Kategorien falle. Als mitteleuropäischer sowas-von-heterosexuellem Mann, der weder im China der Kulturrevolution noch im real existierenden Sozialismus aufwuchs und plötzlich zu sagenhaftem Reichtum oder zumindest einer Großfamilie Playboy Centerfold Models ähnelnder Ehefrauen und Töchter gekommen ist, lehne ich also das Tragen von diesen neuen Herrentaschen als uncool, geschmacksverirrt, schwul, kurz: unmännlich ab, sowie etwa 80% meiner Artgenossen.

To be continued….

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