Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie viele Lebensmittel Sie im Laufe eines Monats wegwerfen? Wir alle kennen das Phänomen. Da wird hier mal mehr Joghurt als nötig eingekauft, weil die Lieblingsmarke im Sonderangebot ist und da spart man ja mit jedem zusätzlich erstandenem Becher. Oder der weg-getupperte „Bohneneintopf Texas“, der nach dem zweiten Mal aufwärmen im Kühlschrank immer weiter nach hinten rutscht, bis er irgendwann komplett aus dem Sichtfeld geschoben und der neue Nährboden für die obskursten Schimmel- und Hefekulturen geworden ist. Wenn dann Besuch der Schwiegermutter ansteht und man dieser resoluten Dame keinen Beleg liefern möchte, dass man in der geistigen und sozialen Entwicklungsstufe eines Erstsemester Studenten geblieben ist, werden diese Schätze exotischer Biodiversität beim Frühjahrsputz des Kühlschranks wiederentdeckt.
Was wir im Laufe der letzten Jahre an zu viel gekauften, nicht gegessenen und dann in dunklen Ecken vergammelten Lebensmittel in den Wohlstandsmüll geworfen haben, kann ich nur erahnen. Das so vergeudete Haushaltsgeld dürfte aber locker für eine vierwöchige Südamerika Kreuzfahrt in der Captains- Suite inklusive Zimmermädchen in Minirock und Super High Heels zur persönlichen Dauerbespaßung reichen. (Mein altes Problem: ich setze meine Prioritäten falsch).
Gott sei Dank entschied die heimische Regierung (Susanne), dass wir endlich etwas an unserem Konsumverhalten ändern müssen. Statt von einem Tag auf den nächsten einkaufen zu gehen, sollte es ab sofort einen Essensplan für die Woche geben, den wir uns samstags erstellen und an den wir uns halten würden.
Anfänglich war es noch etwas mühsam, sich bei einer Tasse Kaffee das Gehirn zu zermartern und zu überlegen, was man denn evtl. kommenden Mittwoch zu essen gedenke. Mit der Zeit wurden wir hierbei professioneller und konsultierten eines der zahlreichen Kochbücher, die unsere Bibliothek ihr Eigen nennt. Schöner Nebeneffekt: durch das Blättern in den Bildbänden kommt man auf Ideen, vielleicht einmal etwas Neues auszuprobieren. Und natürlich merkten wir auch die geringeren Kosten für Milch, Brot und Co., da wir seither so gut wie keine Lebensmittel mehr entsorgen müssen. Es ist wirklich bemerkenswert, was eine konsequente Haushaltsführung alleine schon an Kostenersparnis einspielt. Das wäre vielleicht auch mal ein Thema im Bundestag. Die reden dort doch alle von der „schwäbischen Hausfrau“, die aber wohl noch niemand von all den Berufspolitikern je persönlich traf, wenn ich mir so ansehe, für was da alles Geld verblasen wird…
Vollends begeistert von unserer neuen Küchen-Philosophie des „kritischen Konsums“ bin ich aber erst seit ein paar Monaten, als wir eher zufällig in der Fleischtheke des Kaufhofs 50% Rabatt Aufkleber auf diversen Hühnerbrüsten, Schweineschnitzeln oder Kalbsleber prunken sahen. Beim genaueren Betrachten zeigte sich, dass es sich hier um Produkte handelte, deren Mindesthaltbarkeit sich direkt vor dem Ablauf befindet, die also schnell konsumiert werden müssen. Ich finde diese Angebot von Kaufhof fantastisch und bin seitdem der größte Fan des Kaufhof Lebensmittelabteilung.
Zwei Dinge machen mir an der Rabattaktion Spaß:
- Mit etwas Glück kann man die edelsten Produkte zu einem Schnäppchenpreis bekommen, die man sich bei normalen Preisen vielleicht zum Geburtstag oder zu Weihnachten gönnen würde.
- Man hat das gute Gefühl des kritischen Verbrauchers, einwandfreie Lebensmittel vor der Tonne bewahrt zu haben.
- Es hat einen Lotteriecharakter. Mal hat man Glück und es gibt die französische Maispoularde für 20 Euro, deren Fleisch uns locker für drei Tage Gourmet Menüs reicht. Oder man hat die Standardtage mit der reduzierten Büffelmozzarella, den Edeldesserts und der Milch, die unbedingt weg muss. Dann schauen wir, ob es vielleicht noch einen luftgetrockneten Edelschinken aus Parma im Angebot gibt und basteln daraus Pizza. Und dann kann es auch passieren, dass gar keine Schnäppchen im Angebot sind. Das sind dann die Tage, an denen wir dann unverrichteter Dinge von Dannen ziehen, denn seinen normalen Wocheneinkauf im Kaufhof vorzunehmen, ist in etwa so wie sein Auto nur an Autobahntankstellen zu betanken. Der Ursprung des Stichworts „Apothekenpreise“ beruht bestimmt auf dieser Tatsache.
- Macht mir persönlich am meisten Spaß: nun da man das neue Must-have Ochsenbeinscheibe in den Wagen gelegt hat, muss geklärt was man (also ich) damit anfangen kann. Wie war nochmal das Rezept für das Florentiner Osso buccho? Oder lieber eine schöne Nudelsuppe mit home made Nudeln daraus zaubern und das Fleisch für einen Thai Salat mit frischem Koriander und gerösteten Cashew Nüssen nehmen? That´s where the real challenge begins!
Nach etwa einem Jahr Erfahrung sammeln, kann ich resümieren, dass sich die Entscheidung, bewusster und nicht konzeptlos einzukaufen, als eine wunderbare Sache herausgestellt hat. Mein Kollege sagte mir einmal, „der Gewinn liegt im Einkauf“. Er bezog den Satz allerdings auf die Geschäftswelt und wollt damit zum Ausdruck bringen, ich solle bei unserem Einkaufspartner nochmal nachverhandeln, sonst würden wir unterm Strich nichts mehr an dem Auftrag verdienen. Ich finde aber, noch viel besser passt dieser Satz auf das bewusste Einkaufen von bald dem Verfall ausgelieferter Lebensmittel. Es bringt nicht nur einen pekuniären Gewinn, der im Füllgrad des heimischen Sparschweins schnell ablesbar ist. Es macht das Leben spannender, weil es den Jagdinstinkt in uns wiedererweckt („Uah-uah-uah, ich habe das Mammut erlegt, bzw. ein Flugentenbrust einer Wildente für kleines Geld im Einkaufswagen! Ich bin der Größte!“). In der Computerspiele Branche nennt man das cool „Gamification“. Ich werde hierfür allerdings ein neues Kunstwort einführen, nämlich das „Shopification“. Und last but not least: man kann als Verbraucher das gute Gefühl haben, dass jene Sparfuchsprodukte nicht für Müllhalde produziert wurden.
Probieren Sie es einmal aus und kaufen Sie den Camembert aus der roten Kiste mit den kurz vor dem Ablauf des Mindestverfallsdatum Produkten. Das mache ich bei Weichkäsen mittlerweile grundsätzlich. Da kann ich dann nämlich sicher gehen, dass der Käse richtig gereift ist und ich nicht ein geschmackloses etwas aufs Brot legen muss. Aber seien Sie gewarnt, Schnäppchenjagd kann süchtig machen!