Vor kurzem hatte ich das große Vergnügen, die Monstranz der Küchenhelfer, das High End der Rührmaschinen, den Championsleague-Gewinner der Küchenmultifunktionsgeräte auf Herz und Nieren testen zu dürfen; ich rede vom Thermomix aus dem Hause Vorwerk. Das Gerät steht bereits seit Jahren ganz oben auf meiner Wunschliste an den Weihnachtsmann, aber ein stolzer Preis und die vielleicht etwas unhandliche Größe des Gerätes scheinen Gründe genug zu sein, dass Mr. Santa Claus meinen Herzenswunsch konsequent ignoriert.
Einen Urlaub lang den Thermomix hüten
Dann, vor zehn Tagen, klingelt es am frühen Abend an der Tür. Es war der Nachbar über uns, der mich kurz briefte, wie und wo ich die Pflanzen seiner Wohnung gießen solle, er und sein Freund seien die nächsten beiden Wochen in Vietnam und jemand müsse sich um Kaktus und Co. kümmern. Gerade als mein Nachbar mir den Wohnungsschlüssel übergeben möchte, meint er „Sag mal, Du interessierst Dich doch für den Thermomix, oder? Nimm doch unseren, solange wir weg sind“. Er ließ mir nicht einmal Zeit, das Angebot gerührt abzulehnen. Schon rief er seinen Freund, der in seiner Freizeit als Thermomix Vertreter agiert und mir bereits eine Privatvorführung besagten Gerätes gab, nachdem ich bei unserer letzten Abendesseneinladung die Sauce Bernaise verkackte und er mir mit dem Wunderding aus dem Hause Vorwerk in Handumdrehen eine neue zauberte.
Fünfzehn Minuten später stand der Thermomix mit allen Erweiterungsfeatures und dem original Thermomix Kochbuch in meiner Küche. Mit den Worten „Teste das Ding einfach aus, Du kannst nichts kaputt machen.“ verabschiedete sich mein Thermomix dealender Nachbar Richtung Hanoi und wünschte mir viel Spaß mit meinem neuen Spielzeug. Gleich am nächsten Abend stöpselte ich den TM5 an das städtische Stromnetz an und ließ mich seitdem täglich aufs Neue von den kulinarischen Highlights der „Zauberschüssel“ (so nennt eine Dame älteren Semesters ihren Thermomix und , sehr passend, auch ihren Youtube Kanal) überraschen – soweit sich der Nutzer sklavisch an die Produktionsschritte hält, die der integrierte Bordcomputer vorgibt.
Himbeereis, deutsche Wehrtechnik und ein spätes Dinner
Der erste Versuch war ein Himbeereis mit Schokosplittern. Ich bin jetzt noch beeindruckt, wie der integrierte Häcksler in Sekundenschnelle Kristallzucker zu feinstem Puderzucker mahlt und grobe Stücke Blockschokolade in Schokoladensplitter zertrümmert. Das ist echtes Männerspielzeug. Das knatternde Getöse, das der Edelstahltopf beim Zerkleinern harter Lebensmittel entwickelt, erinnert an das Kettenrasseln eines Leopard 2 Kampfpanzers auf höchster Marschgeschwindigkeit. Das ist Klangdesign der Spitzenklasse. Der brachiale Sound dringt vom Trommelfell direkt ins Kleinhirn und schüttet dort Allmachtsendorphine aus, die unweigerlich ein breites Grinsen verursachen und den im modernen, durch Jahrtausende der Zivilisation domestiziert-verweichlichten Großstadtmannes verloren geglaubten Alphaaffen erweckt. Ach ja, das Eis war im Übrigen auch exzellent.
Mein zweites Projekt war frischer Spargel mit Salzkartoffeln und Sauce Bernaise. Jene Soße, die mir schon einmal missglückte. Diesmal würde aber alles perfekt laufen, schließlich kochte ich sie ja gleich mit dem richtigen Profiequipment. Knapp drei Stunden später und kurz nach zehn Uhr abends saßen meine Frau und ich am Esstisch, um bei einem nicht geplanten, späten Dinner endlich die Qualität des Spargels beurteilen zu können. Ich muss aber fairer weise gestehen, dass zwischen dem Anschalten des Thermomix und dem letzten, akustischen Signal desselben, das dem Koch mitteilt, dass die Mahlzeit fertig zum Verzehr ist, noch das erneute Ansetzen des Soßensuds, eine hitzige Diskussion über den Sinn und Unsinn eine Pizza zu bestellen und eine halbe Flasche Frustwein in der Blutbahn, lagen. Mein Learning des Tages: DO NOT SIMPLY HALF THE MEASSURES IF YOU WANT TO COOK FOR TWO PEOPLE. Einfach nur jeden Zubereitungsschritt laut Displayanzeige ausführen und dann auf weiter zu klicken funktioniert nur dann, wenn man sich sklavisch an die vom Gerät vorgegebenen Mengen hält. Sonst öffnet man nach einer längeren Kochphase den Deckel und wird mit Erstaunen feststellen, dass statt des erwarteten einreduzierten Suds eine braune, „würzig“ riechende Paste im Topf vorzufinden ist. Dieses Gericht hätte ich auf klassischem Wege mit Old School Töpfen und Herdplatte in längstens 45 Minuten gekocht (inklusive Spargelschälen).
Ich versuchte mich noch an Biskuit- und Hefeteig, einem Zitronensorbet, kochte das Sugorezept eines durchgeknallten Thermomix-Youtubers nach, buk eine wirklich fantastische Rüblitorte und als Meisterstück versuchte ich mich an Gulasch mit Semmelknödel (beides nur mit dem Thermomix gekocht und gleichzeitig servierfertig). Die Ergebnisse waren allesamt sehr schmackhaft und insbesondere meine Kollegen freuten sich über den steten Fluss an Kuchen und Muffins.
Fehlt noch etwas Wichtiges zum Glück
Abgesehen von meinem kleinen Sauce Bernaise Debakel gab es keine weiteren Thermomixunfälle und eigentlich sollten mich die vielen „aha, cool!“ Momente erst recht darin bestärken, dem Weihnachtsmann mit körperlichen Nachdruck darauf hinzuweisen, mir endlich einen verdammten Thermomix durch den Kamin zu schmeißen. Aber irgendetwas nahm mir im Laufe meiner intensiven Versuchsreihen die Begeisterung an dem Porsche der Küchengeräte.
Nachdem unsere Nachbarn aus dem Urlaub zurückgekommen waren und sich ihren Wohnungstürschlüssel, ein paar aufgepeppte Blumentöpfe mit Küchenkräutern und den Thermomix zurückgeben ließen, koche ich seit einigen Tagen wieder wie früher. Und dabei wurde mir klar, welche Zutat jedem Thermomix Gericht fehlt und das den Unterschied zwischen „schmackhaft“ und „köstlich“ ausmacht. Die Zutat heißt „mit liebe kochen“. Das stupide Abarbeiten von Anweisungen, die ein Computer vorgibt, garantiert zwar das sichere Gelingen von Eintopf, Napfkuchen und Nudelsoße, unterbindet aber das, was für mich das kochen und backen ausmacht, nämlich das individuelle Abschmecken, das Zutun oder Weglassen von Gewürzen und das Experimentieren mit Rezepten.
Ich habe den Thermomix tm5 zwei Wochen intensivst unter allen erdenklichen Einsatzgebieten, bei Regen und Sonnenschein und sogar bei Vollmond getestet (im nächsten Leben sollte ich mir ernsthaft überlegen, eine Karriere als Küchenmaschinen Tester bei Stiftung Warentest ins Auge zu fassen). Das Ding ist echt super und kann eine Menge. Vor allem das Häckseln von Nüssen und Schokolade ist ein Fest für die Sinne. Küchengötter, deren Nahrungsmittelzubereitung Know-how im Bestrahlen von Fertiggerichten mittels Mikrowellen und das Fertigbacken von Tiefkühlpizza ist, werden zweifelsohne einen großen kulinarischen Schritt nach vorne machen. Diejenigen unter Ihnen, die schon einmal einen selbstgemachten Schweinebraten mit Knödel und eine ordentliche Panna Cotta aus dem Ärmel gezaubert haben, sollten sich allerdings fragen, ob sie eine Eierlegendewollmilchsau als Küchenhilfe benötigen, die vom gedünsteten Lachs mit Fenchelgemüse bis zur Spaghetti Bolognese alles familiengerecht zubereitet, ohne auch nur ein minimalstes Grundwissen von Küchenphysik haben zu müssen.
Mein Fazit: Back to the roots
Und unkaputtbar ist das Gerät auch nicht. Nach zehn Tagen war die integrierte Waage defekt und zeigte keine Werte mehr an. In den diversen Thermomixforen erfährt man dann, dass das Waage- Problem fast schon zum Alltag eines tm5 Besitzers gehört. Sehr aufschlussreich sind hierbei jene besonders echauffierten Thermomix Besitzer, die sich nicht ganz zu Unrecht fragen, wie das bei einem 1.200 Euro teuren Gerät möglich ist und wenn so ein Problem auftritt, die Reparatur bis zu 800 Euro kosten soll. So viel zum Thema: „Du kannst nichts kaputt machen“.
Darum werde ich mir wohl keinen Küchenporsche kaufen. Wenn man ehrlich ist, passt ein hochgezüchteter Powerbolide auch gar nicht zu meinem Typ. Im zivilen Leben bin ich überzeugter Radfahrer und vermeide es, mich selbst hinter das Volant eines Kraftfahrzeuges zu setzen. So wird mein altes Bosch Handrührgerät in absehbarer Zeit auch keine Sorgen machen, auf dem Wertstoffhof neben hundert anderen Artgenossen auf das Verschrotten warten zu müssen. Wie heißt es do so richtig bei uns Compurtfreaks? „Never change a running system!“ Das Gleiche gilt eben auch in der heimischen Küche.
Genau so sehe ich das auch!!!