Gestern fand ich einen Brief vom Oberbürgermeister im Briefkasten. Es sind die Wahlunterlagen zum Bürgerentscheid am 17 Juni zur 3. Start- und Landebahn für den Flughafen München.  Ich muss gestehen, dass ich mich bisher noch kaum mit diesem Thema beschäftigt habe.  Man findet zwar seit ein paar Wochen Wahlplakate von Fürsprecher und Gegner der neuen Startbahn, aber eine richtige Diskussion des für und wider habe zumindest ich nicht bitbekommen. Als braver Steuerzahler und lupenreiner Demokrat gehe ich zu jeder Wahl und Abstimmung und mache mir vorher lange Gedanken, was von allen Alternativen das Übel mit den wenigsten Schmerzen ist.

So setzte ich mich gestern Abend – unvoreingenommen! – hin und las den Aufruf zum Bürgerentscheid von Anfang bis zum Ende gründlich durch.  Gleich die Formulierung der Fragestellung des Bürgerentscheids stieß bei mir auf. Ich habe einen akademischen Abschluss (und keinen schlechten) in Sozial- und Geisteswissenschaften. Mir ist also die Exegese von sperrigen Schachtelsätzen über  endlose Zeilen nicht fremd. Dennoch musste ich  sie dreimal durchlesen, um zu verstehen, wie sie gemeint ist.

Da heißt es:

Bürgerentscheid 1: Ratsbegehren „3. Start- und Landebahn am Flughafen München“ – Sind Sie dafür, dass die Stadt München in den zuständigen Gremien der Flughafen GmbH  – ohne sich an den Kosten zu beteiligen – dem Projekt einer 3. Start- und Landebahn am Flughafen München zustimmt?

OK, das bekomme ich intellektuell noch hin. Dann kommt aber der knifflige Teil:

Bürgerentscheid 2: „Bürgerbegehren zur Verhinderung der 3. Startbahn“ – Stimmen Sie dafür, dass die Landeshauptstadt München alle ihre Möglichkeiten als Gesellschafterin der Flughafen München GmbH nutzt, um den Bau einer 3. Start- und Landebahn des Verkersflughafens Münchens zu verhindern und dass die Landeshauptstadt Münchens insbesondere in der Gesellschafterversammlung der Flughaffen München GmbH keinem Beschluss zum Bau einer 3. Start und Landebahn zustimmt?

Na, verstanden? Der Flughafengegner muss also Nein und Ja ankreuzen, um gegen den Flughafen zu stimmen, der Befürworter Ja und Nein um seinen Willen kund zu tun.  Ich glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster wenn ich die Behauptung wage, dass sich die wenigsten Wähler die Fragen so genau durchlesen und damit nicht richtig verstehen und also nach ihrem Wunsch abstimmen werden. Ich frage mich, welch abgedrehtes Gehirn kommt auf die abstruse Idee, eine einfache Abstimmung so zu verkomplizieren, dass man sowohl ja als auch nein angeben muss, um eine klare Aussage machen zu können.

Richtigen Unterhaltungswert bekam die Lektüre dann bei  der Aufzählung der Gründe, die für die 3. Startbahn sprechen sollten. Um es kurz zu machen, natürlich brauche München die Flughafenerweiterung, um den Wohlstand und dauerhafte Leistungskraft ganz Bayerns sicher zustellen. Außerdem bringen mehr Flugverbindungen mehr Messe- und Kongressbesuche und nicht zuletzt mehr Touristen. 2025 sollen dann jährlich 58,2 Mio. Fluggäste und damit knapp 70% mehr als 2010 nach und vom Franz-Josef Strauss Flughafen ein und abfliegen.  Wer an einem normalen Samstagnachmittag schon einmal das Gewusel der  Münchner Innenstadt gesehen hat wird sich unweigerlich wie ich mir die Frage stellen, wo sollen die alle hin? Und vor allem, wie sollen die alle vom 30 Km entfernten Flughafen in die Stadt kommen? Eine Eisenbahnanbindung wurde ja seinerzeit, als der Flughafen geplant wurde, vergessen (ein kleiner Treppenwitz der Geschichte). Dann, als man kurz davor war, eine Transrapidstrecke vom Hauptbahnhof zum Flughafen zu bauen, und damit die Anreisezeit von einer knappen Stunde auf 10 Min zu verkürzen und die jetzt schon überlastete S-Bahnstrecke zu entlasten, wurde diese in einer Nacht und Nebelaktion wegen angeblich fehlenden 300 Mio. Euro, für die niemand aufkommen wollt,e gestrichen. Ein Jahr später war es aber kein Problem innerhalb von einer knappen Woche 10 Mrd. Euro locker zu machen, um die bankrotte Bayrische Landesbank zu stützen. Steuergeld, das wir wohl nie wieder sehen werden. Und da es seit der fehlgeschlagenen Transrapidstrecke keine Alternative Verkehrsplanung als Zubringer zum Flughafen gibt kann ich mir nur erklären, dass all die Touristen und Messebesucher im Stau mit dem Taxi in die Stadt kommen werden. Schön für das Taxigewerbe, schlecht für die Umwelt und die sowieso schon volle Autobahn.

Aber natürlichen haben die Erweiterungsbefürworter auch ein Argument, dass die Auswirkungen auf Klima und Anwohner kein Problem seien.  Besonders beeindruckt hat mich folgendes, wirklich schlagende Argument. Ich  zitiere wörtlich: „Grundsätzlich ist anzumerken, dass die klimapolitischen Einwände der Ausbaugegner nicht überzeugen: der Flugverkehr insgesamt wird sich durch einen Verzicht auf die 3. Bahn nicht verringern, sonder lediglich an einen anderen Flughafen verlagern.“ Übersetzt heißt das, wenn Ihr den Krach und den Dreck nicht wollt müssen Menschen woanders dafür leiden. Wenn das nicht überzeugt!

Aber meisten amüsierte mich das Argument „keine finanzielle Belastung der Steuerzahler“. Hier heißt es, dass die Stadt München, das Land und der Bund sicherstellen, dass es zu keiner finanziellen Belastung der öffentlichen Hand komme. „Die FMG muss und wird das Projekt selbst finanzieren“. Aufgemerkt, knapp zwei Seiten zuvor wird das Gesellschafterverhältnis der FMG erklärt. Und daraus wird ersichtlich, dass 23% der Münchner Flughafengesellschaft der Landeshauptstadt München, 51% dem Freistaat Bayern und 26% der Bundesrepublik Deutschland gehören. Ich mag mich schwer irren, aber demnach gehört der komplette Flughafen der öffentlichen Hand und damit dem Steuerzahler. Wer wen nicht der Steuerzahler soll bei einer finanziellen Belastung belangt werden?  Und gibt es irgendein öffentliches Projekt, das am Ende nicht doppelt so teuer wurde, als ursprünglich geplant? Schauen wir nur kurz nach Berlin, die gerade ein paar Kleinigkeiten mit ihrem neuen Flughafen zu klären haben und die Kosten noch gar nicht abschätzbar sind, die die Verzögerung der Eröffnung mit sich bringen wird. Wer wird’s am Ende zahlen, die Baufirma, die Versicherung, der Flughafenbetreiber? Ein schlechter Mensch, der Böses dabei denkt.

Ums kurz zu machen, die Begründungen der Start- und Landebahnbefürworter konnten mich nicht mit einem einzigen Punkt überzeugen. Im Gegenteil, beim Lesen  habe ich das ein oder andere Mal meinen Intellekt beleidigt gefühlt, und so wird es wohl jedem kritischen Leser gehen.  Im Gegensatz dazu strotzen die Argumente der Gegner von Logik und Überzeugungskraft.

Ich weiß jetzt, wie ich abstimmen werde, nämlich NEIN und JA, um ein klares NEIN zu geben. Ich hoffe, dass auch die Mehrheit der Wähler entsprechend ihre Kreuze setzen. Denn so wie sich die Sache für mich liest, ist die 3.Start- und Landebahn nur ein weiteres öffentliches Projekt, bei dem sich einige Baufirmen ohnmächtig verdienen und eine Hand voll neue Aufsichtsratsposten für alt- und ausgediente Politiker auf dem Rücken von einigen Tausend Anwohnern und zu Lasten der Natur geschaffen werden.

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