Es gibt Dinge in unserer modernen Welt, bei denen frage ich mich jedes Mal aufs Neue, wer sich so einen Blödsinn ausgedacht hat, wenn ich darauf stoße. Eines dieser absolut unsinnigen Dinge ist der Trend, auf jeden Pirschich, Apfel, Birne und sonstigen Stück Obst und Gemüse es ein Zettel kleben zu müssen. Ich nehme an, das ist der spleenigen Hoffnung der Produzenten geschuldet, ihren Produkten damit eine ganz besonders vornehme Anmutung und Exklusivität zu verleihen.

Heute hatte ich wieder einer dieser Äpfel in der Hand. Der Aufkleber wies den wohlgewachsenen Apfel als biologisch, dynamisch gewachsene Frucht aus den wunderschönen Auen Südtirols aus. Mein erster Gedanke war, prima, ein Zettel, den niemand braucht, den ich wegzupfen muss und hoffentlich ist der Kleber nicht giftig. Als nächstes stellt sich dann die Frage, wie ist so eine sinnlose Vergeudung von  Ressourcen mit dem Ansatz Biologisch, Nachhaltigkeit und Essen für eine gesündere und bessere Welt überhaupt vereinbar?
Mal ganz davon abgesehen, dass dieser Aufkleber außer zu nerven nur Geld kostet und den Apfel schlussendlich bestimmt nicht preiswerter im Verkauf machte. Mich würde nicht wundern, wenn fürs die „Veredelung“ der Äpfel preiswerte Saisonarbeiter aus Nordafrika eingesetzt werden. Angeblich soll es  in Italien in letzter Zeit einige nautisch geübte, Unternehmungslustige Magrebiner auf der Suche nach Arbeit auf dem europäischen Festland geben.

Kritiker könnten jetzt fragen, warum ich mir nicht einfach einen anderen Apfel gekauft habe. Nun, hier kommen wir auch schon zum nächsten Punkt an Dingen, die die Welt nicht braucht, nämlich Obst und Gemüse aus dem anderen Ende der Welt. Wer nicht gerade das Glück hat, im Alten Land oder am Bodensee zu wohnen, wo es prima einheimisches Obst gibt (da pfeife ich auch auf Bio), wird feststellen, dass es kaum noch Obst und Gemüse aus der heimischen Scholle gibt. Stattdessen kommen die Äpfel aus China, der Knoblauch aus Chile und die Birnen aus Argentinien. Und übrigens auch dort kleben die mir so verhassten Sticker drauf.

Vor einiger Zeit sprach ich die Brotfachverkäuferin im Bäcker meines Vertrauens auf die neue Unsitte an, auf den Brotlaib einen Zettel daraufzubacken, der nichts anderes an Information birgt als die Sorte des Brotes zu kommunizieren. Da stört mich der Zettel noch viel mehr als auf den Äpfeln und Co., denn diese ungewollte Produktinformation bekommt man noch schlechter abgefieselt als vom Obst. Die Antwort war fast so wie ich es befürchtet hatte. Sie fände das auch eine nervige Unsitte, sie wisse ja schließlich, was sie verkaufe, aber die Kunden hätten das gerne. Worauf ich entgegnete, ich bin auch Kunde und ich mag die Zettel gar nicht gerne. Geändert hat sich allerdings nichts seither. Scheinbar bin ich mit meiner Meinung nicht repräsentativ.

Schade, und so werde ich wohl lernen müssen, mit den nervigen Zettelchen auf meinen Lebensmittel zu leben, will ich nicht an Skorbut oder Unternährung sterben (bis dahin dürften allerdings noch einige Jahre ins Land gehen, wenn ich mir meine Liebeshenkel so anschaue). Dennoch frage ich mich, wieso es „Innovationen“ gibt, die meines Erachtens ein Rückschritt der Zivilisation bedeuten und trotzdem scheint es niemand zu stören. Um es mit Erhard Horst Bellermann zu sagen: „Als Dummheit Gestalt annahm – entstand der Mensch.“

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