Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein begeisterter Vielleser bin. Neben der regelmäßigen Literatur von Tages- und Wochenzeitungen liegen auch immer mehrere Bücher neben meinem Bett, die ich je nach Muße mal schneller, mal weniger schnell lese. Und ja, es gibt auch Bücher, die ich angelesen weg lege, weil sie entweder a) zu profan, b) zu langweilig oder c) (das allerdings eher selten) zu kompliziert sind. Belletristik kommt mir eher selten vor die Lesebrille und Krimis eigentlich überhaupt nicht. Verwundert sehe ich die großen Krimiabteilungen in den Buchläden und frage mich, wer all diese „spannende“ Literatur denn liest bzw. lesen soll. Wir wissen doch alle, dass am Ende immer der Gärtner der Mörder ist.

Zudem frage ich mich, wieviele Morde es denn überhaubt geben muss, damit die vielen Kommissare, Staatsanwälte, Profiler und Hobbyschnüffler, die der Polizei immer einen Schritt voraus sind, genug zu tun bekommen. Wenn man bedenkt, dass in Deutschland jährlich etwa 1.000 Morde geschehen, dann sind das im Schnitt pro Tag etwa 2.7 Unglückliche, die von einem niederträchtigen Menschen vor Petrus Pforte geschickt werden. Überlegen wir jetzt weiter, dass die meisten Morde in Ballungsgebieten auftreten, frage ich mich, wo die vielen Mordopfer auf dem platten Land überhaupt her kommen sollen, über die so viel geschrieben wird. Der Leser merkt, worauf ich hinaus möchte: die inflationäre Anzahl der Regiokrimis. Mir scheint, dass mittlerweile jeder Landkreis seinen eigenen literarischen Schnüffler braucht, der den scheinbar alltäglich vorkommenden Gewaltverbrechen in der näheren Nachbarschaft auf den Grund gehen kann.

SchwarzwaldkrimiWarum schreibe ich das, wenn ich mir sowieso nichts aus Krimis mache? Nun, es ist so, dass mein Schwager zusammen mit einem Compagnon vor einigen Jahren begonnen hat, Krimis zu schreiben. Richtig, Regiokrimis, wie es so schön heißt und zwar Schwarzwaldkrimis, um ganz genau zu sein. Und ich hatte auch schon die Ehre, den ein oder anderen jährlich erscheinenden Band Korrektur lesen zu dürfen. Mittlerweile gibt es schon den siebten Band und jährlich kommt ein weiterer Kriminalfall hinzu, der von den beiden Protagonisten Hubertus Hummel (ein Studienrat) und seinem Spezl  Klaus Riesle (Lokalreporter) dank geistiger Brillianz und manchmal mit etwas Glück bravourös gelöst wird. Die Krimis spielen alle in Villingen und Umgebung, die stolze mittelalterliche Stadt, in der nicht nur die beiden Autoren groß geworden sind, sondern auch ich die beiden ersten Jahrzehnte meines Lebens zugebracht habe. Wer also etwas über meinen Heimatort nebst kulturellen und geschichtlichen Höhepunkten erfahren will, dem sei die Lektüre dieser Bücher ans Herz gelegt. Hier erfährt der Leser zum Beispiel, wo auch ich meine Samstagabende während der Adoleszenz verbrachte (Kneipe Bistro, ausgesprochen „Bischtro“). Und zufällig ist Hummel Lehrer an derselben höheren Lehranstalt, an der auch ich mir die Berechtigung zum Besuch einer Hochschule erwarb.

Eigentlich wäre das alles kein Grund, darüber zu philosophieren, wenn es da nicht einen anderen, erfolgreicheren Regional-Ermittler in der deutschen Literaturszene gäbe. So richtig ist das mir erst im Laufe diesen Jahres aufgefallen, als ich wirklich in sämtlichen Buchläden, die ich besuchte, die Allgäu-Krimis mit deren Chef-Ermittler Kluftinger an besonders exponierten Stellen zum käuflichen Erwerb angeboten sah und dass, obwohl sowohl die Schwarzwald Krimis meiner ferneren Verwandschaft als auch die Bestseller aus Allgäu vom gleichen Verlag verlegt werden. Und als ich in den letzten Wochen auch noch sah, dass diese Bücher auch online via klickbarer Werbung auf Internetseiten beworben wird, fragte mich dann doch, ob die Bücher der bayuwarischen Konkurrenz so viel besser als die der Kollegen aus meiner Heimat sind.

Zufällig erwischte ich vor zwei Wochen meine Kollegin mit einen Kluftinger Krimi, den sie auf dem Weg zur Arbeit zur geistigen Zerstreuung las. Darauf angesprochen, ob die Krimis wirklich so toll seien, bekam ich ein begeistertes „ja“ zur Antwort und das Angebot, den ersten Band leihweise lesen zu dürfen. Was soll ich sagen, seit zwei Wochen lese ich an „Milchgeld – Kluftingers großer Fall“ , bin zu 2/3 durch und quäle mich durch die Seiten. Der Schreibstil ist eher simpel gehalten, sodass auch weniger geübte Leser ohne Probleme dem Verlauf der Geschichte folgen können. Mir persönlich ist das ewige Subjekt-Prädikat-Objekt Schema etwas zu profan. Besonders, wenn Kommissar Kluftinger über mehrere Seiten hinweg über Kasspatzen (vulgo Kässpätzle) philosphiert (und das nicht nur einmal. Isst der eigentlich auch mal etwas anderes?) , wird der Lesegnuß etwas zäh. Mit dieser Meinung stehe ich übrigens nicht alleine da. Ich habe Susanne ein paar Stellen aus dem Buch vorgelesen, wenn es wieder besonders schwafelig wurde und sie gab mir jedes Mal Recht mit meiner Kritik ) was schon etwasheißen will). Da versucht jemand wie der Literaturtitan Thomas Mann haarklein eine Situation zu beschreiben, um eine besondere Atmosphäre zu erzeugen. Nur, dass dank des simplen Sprachstils und der teilweisen breiten Erklärungen unwesentlicher Sachverhalte, das Ganze sehr ermüdend und alles andere als fesselnd ist. Etwas, was zumindest ich von einem Krimi erwarten würde. Auch die Nebenpersonen und -handlungen sind viel dichter und interessanter als bei dem ewig Kasspatzen essenden Kommissar Kluftinger. Um so mehr verwundern mich die euphemistischen Kritiken, die die Allgäukrimis bekommen haben (wenn die offizielle Kluftinger Website nicht lügt). Dies überzeugt mich einmal mehr, die Auswahl meiner Bücher, wie bisher, nicht nach feuilltonistischen Geschwätz auszusuchen.

Ich möchte nicht behaupten, dass die literarischen Ergüsse der Schwarzwald Krimis nobelpreisträchtiger als die der Allgäu Krimis sj d. Aber – und das meine ich ganz Objektiv – die Plots sind besser, der Schreibstil kurzweiliger und nebenbei bekommt man nauch noch kulturelle und geografisches Wissen über eine der schönsten Regionen Deutschlands mit.

Also, liebe Freunde der gepflegten Spannungsliteratur, wer für die langen Abende der diesigen Wintersaison  das passende Lesematerial oder noch ein hochwertiges Weihnachtsgeschenk sucht, der sollte sich einmal fern vom allgäuer Mainstream umsehen und die Fälle der schwarzwälder Kollegen ansehen. Ich garantiere, der Lesespaß ist mindestens genauso hoch wie bei der Mainstream Konkurrenz. Ich behaupte, sogar noch bei weitem höher.

PS: der Erste, der mir den Mörder des neusten Bandes „Honigsüßer Tod“ nennt, der bekommt ein VS-Krimi seiner Wahl mit persönlicher Widmung der beiden Autoren.

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