Zurück aus dem (zweifelsohne) wohlverdienten Urlaub und ich muß gestehen, es kommt mir wie ein Kulturschock vor. Gestern noch 23 Grad Celsius und sonnenbadend am Strand und heute sitze ich im spätherbstlichen Mitteleuropäischen Nebel, der nur durch Nieselregen und kalten Windböen aufgelockert wird. Und um die komplette Depri-Winterdröhnung abzurunden, wurde während unserer Abwesenheit die städtische Weihnachtdeko aufgehängt – dabei ist es noch nicht mal Advent! Und dennoch, wir waren auf den Spuren des Weihnachtsmanns…

Das war allerdings mehr ein Versehen als von langer Hand geplant. Obwohl wir uns bewußt für einen Strandurlaub mit viel lesen und sweet doing nothing but chilling in the sun entschieden haben, entschieden wir uns spontan für einen Tagesausflug nach Demre (formaly known as Myra), das nur ein paar Buchten weiter westlich von Antalya liegt. Der bibelkundige Leser erkennt sofort, hier handelt es sich um die Stadt, in der der heilige Nikolaus, seinerzeit Bischof von Myra, weilte und wirkte. Und hier sollte ich erfahren, was es mit den Socken am Kamin, die über Nacht mit Geschenken gefüllt werden, auf sich hat. Wer die genaue Geschichte erfahren möchte, der darf mich gerne auf einen der vielen Weihnachtsmärkte, die gerade wieder wie Pilze aus dem Boden sprießen, auf einen Glühwein einladen und dann werde ich ihm diese gerne (schön ausgeschmückt, dass es vielleicht noch für einen zweiten Glühwein reicht) erzählen.

Traurig war allerdings die uns begleitende Reisegruppe. Aber was möchte man denn erwarten, wenn man Mitte November auf der Flucht vor suiziden Wetterverhältnissen ist? Und wer kommt überhaupt auf die Idee einen Ausflug auf den Sandalenspuren der Urchristen zu buchen? Richtig: Menschen, die es sich leisten können, mitten unterm Jahr Urlaub zu machen und Interesse an Geschichte haben (auch Bildungsbürger genannt). Und was sind das für Menschen? Wieder richtig: Rentner, die alle Zeit der Welt besitzen, und entweder gleich im Süden überwintern oder einfach nur die drei Wochen All-Inclusive buchen, weils so schön praktisch ist, sich um nichts kümmern zu müssen und weil jeden Tag Sonnetanken und Puzzlelegen dann doch auch mal langweilig werden können.

Dementsprechend fanden wir uns Morgens um sieben in einem etwas abgenudelten Reisebus wieder, der die Las Vegas gleichen Hotelbunker abfuhr und der sich nach und nach mit Omas und Opas mit Videokameras und Gesundheitsschuhen füllte. Das Ganze errinnerte etwas an „Germany 2037“. So muss es also sein, wenn Deutschland überaltert ist. Deprimierend. Es fehlte nur noch, dass im Bus plötzlich „Hoch auf dem gelben Wagen“ angestimmt wurde und wir noch bei einem türkischen Teehaus einkehrten, um uns von einem geschäftstüchtigen türkischen Businessmann Heizdecken und fast originale Teppiche („even experts can not see!“) andrehen zu lassen. Ich habe es allerdings unterlassen, Fotos für die Wissenschaft von unserer illustren Reisegemeinde zu machen.

Was ich allerdings unbedingt fotografieren musste, ist die Statue, die in Demre auf dem Dorfplatz steht. Was kann es anderes sein, als der gute alte Onkel Nikolaus. Immerhin bringt dieser jährlich hunderttausende Touristen in das Nest in der Mitte von Nirgendwo. Mir scheint allerdings, dass die Originalstatue vor nicht all zu langer Zeit zum Zwecke der Modernisierung ausgewechselt wurde.

Nikolaus

Ich glaube nicht, dass ein ehrwürdiger Bischof mit Schwallebart und weiß-roter Zipfelmütze herum läuft, auch nicht zu guten alten byzantinischer Zeiten. Auch die herrlichen Fresken, die noch teilweise in der Basilika vorzufinden sind, in der Bischof Nikolaus seine erste Ruhestätte fand, sind entweder Heiligenscheine oder – wenn weltlich – dann Mitren…

Ansonsten verlief der Tag ganz angenehm. Die Sonne brannte, es war gerade Orangenernte, sodass es an jeder Ecke frischgepressten O-Saft für ein paar wenige Liras gab, und besonders interessierte aus unserer Reisegruppe löcherten unseren Reiseleiter mit Hintergrundfragen zu Land und Leuten („Wie, die Italiener haben jetzt die Knochen vom Nikolaus? Wieso das denn???“). Das ist wiederum das Schöne, mit Best-Agern zu reisen. Es besteht keine Gefahr, dass ein Grüppchen cooler Jungs ihre mitgebrachtes Dosenbilligbier auspacken, sich im hintersten Ende des Buses zulöten und einen auf Ballermann 5 machen. Im Gegenteil, ich glaube ich war der Einzige der ganzen Reisegesellschaft, der zur Mittagspause ein Bier bestellte. Der Rest blieb bei Limo oder Wasser.

Den Abend haben wir dann im hoteleigenem Hamam verbracht, um so viel Kultur und Gerontologie bei einer Runde Wellness ausklingen zu lassen. Leider war der dieser Bereich mit einer Reisegruppe Japanern bevölkert, sodass die innere Ruhe, die solch ein Ort normalerweise auszustrahlen pflegt, empfindlich gestört wurde. Ich sage nur, gib einem Japaner die Möglichkeit zu plantschen und er vergisst sämtliche zurückhaltenden Manierismen, die man sonst von diesem sonst so höflichen und diskreten Kulturstamm kennt, potenziere dies mit der Anzahl der anwesenden Mandelaugen und schon kann man sich in etwa vorstellen, wie andächtig es in etwa an diesem Abend zuging. Aber das ist eine andere Geschichte. Wir sind an diesem Abend dennoch entspannt eingeschlafen, nachdem wir den Wetterbericht in Deutschland gesehen hatten. 🙂

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