Ich befinde mich gerade auf der Flucht vor dem Winter und genieße die freie Zeit meines Winterurlaubs auf Madeira. Das ist der Vorteil, wenn man kein Interesse am Skifahren hat und es ergo auch nicht kann. Die Versuchung, ein paar Tage in den Bergen in der Kälte und mit Schnee zu verbringen, kommt gar nicht erst auf, sodass man die kostbare freie Zeit meines Erachtens angenehmer in der Sonne südlicher Gefilde verbringt und bestimmt auch noch eine Menge Geld spart sowie die Gesundheit schont. Die Woche Madeira in einem wirklich adretten Hotel mit Meerblick kostet inkl. Flug 350 Euro und die einzige Gefahr sich zu verletzen, besteht darin, am Pool über eine unsachgemäß liegen gelassene Strandtasche zu stolpern oder sich am eisgekühlten Sundowner zu verschlucken.

Die ersten beiden Tage sind dank Sonnenmilch ohne Sonnenbrand überstanden und das erste Buch der mitgebrachten Urlaubslektüre ist zu Ende gelesen. Es handelt sich um „Generation Ally“ von Katja Kullmann und ist wirklich ein nett zu lesendes Buch über meine Generation und hier insbesondere aus dem Blickwinkel des weiblichen Geschlechts. Ich habe es beim Wühlen im Second Hand Buchladen bei den soziologischen Büchern gefunden. Hätte ich es in einem normalen Buchladen ausliegen sehen und hätte ich den vollen Preis zahlen sollen, ich wäre nie auf die Idee gekommen, meine Zeit einem typischen Frauenbuch zu opfern, in dem wahrscheinlich eh nur zu lesen ist, mit welcher Doppelbelastung die moderne Frau unserer Zeit, und deren Beziehungsproblemen in Besonderem, zu kämpfen hat. Da der Buchhändler seine zu verkaufenden Preziosen aber erfahrungsgemäß sehr gut klassifiziert und einsortiert und ich mir dachte, für fünf Euro ein schickes Hardcoverbuch zu bekommen, dass im Zweifelsfalle einen wertigen Eindruck im Bücherregal hinterlässt, habe ich es käuflich erstanden.

Ich muss gestehen, das Buch hat mich mehr als positiv überrascht. Es liest sich flott, unpreziös, ist entgegen meiner Befürchtung kein selbstverliebtes Emanzenbuch einer notorischen Großstadt Dauersinglefrau, die zwischen Karriere und Freizeitstress hin und her pendelt und ihr Seelenheil in „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ Lebensleitfäden und amerikanischen Fernsehserien ziehen, in denen magersüchtige Hauptdarstellerinnen serielle Polygamie betreiben und trotz ihrer privilegierten Lebensumstände stets unzufrieden zu sein scheinen und sich deshalb andauernd Schuhe kaufen. Aus diesem Grunde hat die Autorin auch den Titel Generation Ally gewählt. Ally Mc Beal war eben solch eine amerikanische Erfolgsserie Anfang des Milleniums, in der eine (magersüchtige) Anwältin um die 30 von Karriere, der großen Liebe (was auch sonst) träumt und deren biologischen Uhr tickt. Und, ganz wichtig, für alle Frauen meiner Generation war das die Sendung, die nicht verpasst werden durfte, weil da ja so viel Wahres drin vorkam, was den Nerv traf und insbesondere die Situation der jungdynamischen Frau der Zeit so ganz richtig wieder gab und gibt. Und unter genau dieser Serienheldin lässt sich all das subsumieren, was die Frau Anfang Mitte Dreißig bewegt und belastet.

Um es kurz zu machen, es geht eigentlich darum, dass die Generation Ally Frau, zwischen 1965 und -75 geboren wurde, unpolitisch aufwuchs und deshalb außer marken- und konsumorientiertem Denken keine besonders kritische Prägung mitbekam, eine akademische Ausbildung genossen und das Studium im Turbotempo mit überdurchschnittlich guten Noten, eine Menge spannender Praktika durchzog, dann mit Mitte Zwanzig nur an Karriere und Job denkt und dann mit dreißig Jahren überlegt, wann sie endlich mit der Familienplanung starten sollte, bevor es zu spät ist und nicht selten dabei feststellt, dass ein passender Partner an ihrer Seite dazu vielleicht keine schlechte Idee wäre. Leider hat sie es in den ersten drei Jahrzehnten ihres Lebens nicht gelernt, auf etwas zu verzichten, weil es nie nötig war und Kinder immer noch Karrierekiller sind.

Bis auf das Kapitel mit der Kinderplanung stellte ich aber eine Menge Parallelen zu meinem bzw. dem Lifestyle meiner Kumpels und Freunde fest. Das mit der biologischen Uhr gibt es in der Form für uns XY-Chromosomenträger ja nicht und es ist schon immer noch so, dass sich eher die Frau überlegt, ob sie wegen der Kinder auf Karriere und Job verzichtet. Was ich persönlich übrigens sehr schade finde. Ich für mich fände ein paar Erziehungsjahre mit meinen noch nicht vorhandenen Kindern sehr erstrebenswert. Ich würde den Haushalt schmeißen, ab und an in meinem Blog posten und die Ellenbogengesellschaft, die Überstunden und den Ärger mit Kunden und Kollegen lieber der Frau überlassen.

Aber für all die anderen Lebenssituationen sind die Einstellungen und Behaviorismen der Generation Ally eigentlich komplett mit der Generation – ja was eigentlich? – vergleichbar. Ich habe schon sinniert, aber wir Männer haben eigentlich nichts Passendes oder besser niemand Passenden, den wir als typischen Vertreter unserer Generation in Verbindung bringen könnten. Wir (also nicht unbedingt ich, aber Jungs meiner Generation) haben regelmäßig Stefan Raab und Star Treck geschaut. Aber als singender Metzgerssohn oder gefühllosen Android Data kann man uns kaum bezeichnen. Irre ich mich, oder gibt es niemanden und nichts, das zu uns passt? Schade eigentlich. Vielleicht fällt dem einen oder anderen Leser hierzu noch etwas ein. Ich freue mich viele Ideen. Ich möchte nämlich nicht als „Generation not defined“ in die Geschichtsbücher eingehen. Und so lange wir noch keinen eigene Generation sind, möchte ich jedem das Buch von Katja Kullmann ans Herz legen und das Babykapitel beim Lesen auszulassen. Ein tolles Buch, bei dem Mann häufig nicken wird und feststellt, ja, genau so bin ich groß geworden, genau das habe ich in irgendeiner Art und Weise auch erlebt. Spätestens dann kommt die Überlegung, warum braucht die Frau von heute Bücher über Fische und Fahrrad und warum Frauen und Männer nicht zusammen passen? Wir sind gar nicht so unterschiedlich. Und die 10 Prozent, die wir vielleicht doch anders ticken, sollten wir einfach akzeptieren, dass Frauen gerne shoppen und Schuhe lieben und wir Männer es einfach nicht haben können, wenn während einer Fußballübertragung geredet werden muss oder wir Abends lieber an unseren Computern herumschrauben als über das letzte Telefonat mit unseren Müttern zu sprechen, da zu hause eh nichts weltbewegendes passiert ist.

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