Eine reiseintensive Woche geht zu Ende. Nachdem ich von little Japan zurück kam, gings am nächsten Tag gleich weiter Richtung Süden. Wir waren zur Hochzeit von Alex (einer der beiden Sarköche von de-lite) und seiner Nun-Ehefrau Sandra nach Südtirol eingeladen worden. Also wurden die Elchwürste erst einmal im Kühlschrank eingelagert, den feinsten Zwirn nebst neuem Binder und Einstecktuch und einem wahrlich famosen Hochzeitsgeschenk eingepackt und schon gings auf Hannibals Spuren über den Brenner in das Land des Dolcen Vita und der Zitronenschüttler.

Nach der Ankunft wurden wir gleich zu einer urigen Weinschenke zum abendlichen Get-Together geladen, wo wir die restliche Festgesellschaft bei einer entapannten „Jause“ und ein paar Kurzen kennen lernen sollten. Dort wurde uns dann von Natalie (dem weiblichen Teil des offiziellen Hochzeitskommittees) eröffnet, dass der Wirt des Hotels, in dem wir untergebracht waren, einen original Südtiroler Hochzeitsbrauch organisiert habe und wir uns alle um 2.00 Uhr nachts vor dem Fenster des Brautpaares zusammenzufinden  hätten. Dort werde dann ein Saxophonspieler das (nicht mehr ganz so) junge Paar wecken und danach gäbe es Bier und Weißwürste, um in den Morgen hinein zu feiern… Juhu! Der aufmerksame Leser wird sich bestimmt schon gefragt haben, ob ein nächtlich spielender Saxophonist typisch tirolerisch ist. Diese Frage kann ich verneinen. Normalerweise stellt wohl der örtliche Schützenverein eine Abordnung angeheiterter Böllerschützen, die ein paar Glückwunschsalven in den Nacht ballern. Ich schätze aber, dass der Hotelwirt sich etwas Sorgen um seine Stammgäste gemacht haben dürfte und daher ein etwas leiseres und in seinen Augen auch bestimmt romantischeres Substitut gesucht und gefunden hat. Außerdem war der blasende Troubadour auch gleichzeitig ein begnadeter Alleinunterhalter, sodass sich dieser nach seinem Open Air Auftritt an das neben der Bar aufgestellte Keybord verzog und der – zurecht müden – Hochzeitgemeinde mit Walzer und österreichischen Schlagern einheizte.

Die vorangegangenen Tage waren schon stressig genug und ich hatte mich auf ein paar Tage chilligem Wellness mit viel Schlaf eingestellt. Diese Hoffnung war also unberechtigt. Aber wer kann auch ahnen, welche Hochzeitskulte der Tiroler an sich zu betreiben pflegt. Entsprechend gerädert war ich auch am nächsten, dem „großen“ Tag. Die Braut versicherte mir aber, dass ich nicht der Einzige sei, der nicht mehr ganz taufrisch zur Hochzeit ginge. Im Gegensatz zu ihr hatte ich aber keinen Termin beim Visagisten. Ich musste also irgendwie selber mit den sichtbaren Spätschäden in meinem Antliz klar kommen.

Die Hochzeitszeremonie an sich war eine kurze und schmerzlose Angelegenheit. Der italienische Standesbeamte betete seine Paragrafen etwas lustlos runter und um ehrlich zu sein, die einzigen Merkmale, die mir von ihm im Gedächnis blieben waren seine bunte Schärpe und die schwere Bürgermeisterkette. Hätte er noch eine Jeckenkappe getragen hätte er eine Bereicherung für jeden Elferrat abgegeben. Aber das Ambiente war nett. Eine alte Burg namens Fahlburg (oder Phallusburg, wie Robbie sie fälschlicherweise nannte) bot eine prächtige und wildromantische Kulisse. Und auch das gereichte Hochzeitsmenü war von erlesener Qualität. Es gab einheimische Gerichte auf so einem hohen Niveau zubereitet, dass sie jedem 2 Sternekoch zur Ehre reichen. Sollte der Koch diesen Blog lesen: Chef de Cuisine, das war ganz großes Kino: Bravo!

Leider legte besonders die Verwandschaft der Braut auf lustige Untermalung und Tischreden, so dass die kulinarischen Genüsse von viel „Entertainment“ hart unterbrochen wurde. Sollte ich je heiraten, werde ich die Veranstaltung in ein Karthäuser Kloster verlegen, da kann ich dann sicher sein, dass ich in ruhe essen kann 😉 Immerhin wurde dem aufmerksamen Zuhörer einiges über die Braut und den Bräutigem erzählt, das man noch nicht wissen konnte, oder auch wissen wollte. Zum Beispiel, dass der Brautvater nebst Schwager von einer Instanthochzeit sprachen, da die Brautleute sich wohl recht kurzfristig zum Schritt ins Eheglück entschieden hatten und so etwas die Zeit fehlte, aus der Hochzeit ein Megaereignis wie bei Gülcan zu machen. Aber wenn das eine Instanthochzeit war, wie hätte dann eine „richtige“Hochzeit ausgesehen?!

Herzen als Tischkarten

Alex und Sandra, wenn Ihr zufällig auf meinen Blog stoßt und diese Zeilen lest: Es war ein tolles Fest und vielen Dank nochmal für die nette Einladung. Solltet Ihr wieder heiraten, ich komme wieder! 😉

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