Vor kurzem hatte ich das große Vergnügen, die Legende Stevie Wonder live in Concert erleben zu dürfen. Gut, das Ticket war nicht gerade geschenkt, aber in Anbetracht des Alters des Künstlers war es mir wichtig, dieses audiophile Erlebnis nicht zu verpassen. Ich will nicht behaupten, dass ich wirklich ein Fan von Stevie Wonder bin. Aber wer weiß, wie lange Stevie noch durch die Lande tourt und sein Puplikum mit Gesang und Mundharmonika Melodien beglückt. Ich will meinen Kindern später einmal sagen können, dass Papa wenigstens diese Motown Größe life gesehen hat. Ray Charles und James Brown haben sich leider schon vorher für immer verabschiedet, bevor sie eine Abschiedstournee durch Europa angetreten hatten. Soetwas sollte mir bei Stevie nicht noch einmal passieren.

Eine halbe Stunde später als die aufgedruckte Zeit auf dem Ticket versprach, ließ sich ein sehr üppiger schwarzer Mann von zwei adretten jungen Damen auf die Bühne schieben. Im ersten Moment hatte ich schon die Befürchtung, dass die da einen ganz anderen auf die Bühne zerren wollten. In der Erinnerung meiner Jugend war Stevie Wonder ein schlanker und ranker Mann. Irgendwie scheinen die letzten 25 Jahre aber auch einem Stevie an den Hüften hängen geblieben zu sein, sodass er heute als propperer XXL supersize me Amerkianer über die Bühnen dieser Welt rollt.

Meine Erwartungen waren nicht besonders hoch. Gut, „I just call to say I love you“ und „I am yours“ hatte ich schon auf meiner erwarteten Playlist aber was uns der sehschwache Sangeskünstler noch bieten würde war mir ehrlich gesagt nicht ganz klar. Daher war ich anfangs auch nicht unangenehm berührt, als Stevie und seine – wirklich phänomenal gute – Combo mit einer relativ langen Runde weniger bekannten Stücke vor sich hin jamte. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine Gruppe begnadeter Musiker zusammensitzen, die miteinander zur eigenen Freude vor sich hin spielen und die Zuhörer in der Olympiahalle, die teilweise horrende Summen für den Eintritt gezahlt haben dürften, als zufälliges Beiwerk wahrnahm. Ich habe vielleicht nicht das absolute musikalische Gehör, dennoch hatte ich teilweise das ungute Gefühl, dass hier einiges in experimentelle Klangerlebniswelten abzurutschen drohte.

Nach einer Stunde für das ungeübte Ohr zum Teil doch etwas anstrengenden Musikgenusses schien das Programm schlagartig zu kippen und die Jungs auf der Bühne starteten mit all den Klassikern, auf die wahrscheinlich alle Zuhörer nicht mehr zu hoffen gewagt hatten. Und eines muß mann Stevie Wonder lassen. Der Typ hat eine wahnsinnige Ausstrahlung auf der Bühne und eine noch viel größere Stimme. Ich habe die total überbewertete Netrebko live auf der Bühne gesehen. Gegen den blinden Mann an der Hemmond Orgel klingt die wie eine Schwindsüchtige auf Kur. Und wenn er mit den so sehnlich erwarteten Hits los legt kocht die Hütte, was eine meines Erachtens eine nicht zu unterschätzende Leistung ist, da ich mit meinem jugendlichen Alter so überhaupt nicht in das restliche Publikum passte. Hier war eine Menge 40, 50+ (Neudeutsch: Happy Ager) zu sehen, die es bei“Up-Tight“, „For once in my life“ oder „You are the sunshine of my life“ von den Sessel riß und mit ihren anrostenden Gelenken mal mehr, mal weniger elegant versuchten, dem schmissigen Takt zu folgen.

Alles in allem war ich mit dem Abend sehr zufrieden. Zweieinhalb Stunden Lifeact ohne Pause – wobei mir der zweite Teil bei weitem besser gefiel – mit einem Künstler, dem man ansah, dass er wahrscheinlich sogar mehr Spaß an dem Abend hatte als sein zu ihm pilgerndes Publikum und einer Begleitband, die wirklich auf einem exquisit hohen Niveau spielt, was will man mehr? Sollte Stevie und seine Jungs noch einmal durch die Lande touren wollen, werde ich wieder hingehen. Dann weiß ich ja, dass ich mir die erste Stunde sparen kann und gleich bei den Hits einsteigen muß.

Einen Rat möchte ich noch dem Management von Stevie Wonder mitgeben. Susanne und ich wollten uns noch mit einem speziellen Merchendise Produkt beglücken. Wir hatten die Idee, oder vielleicht auch nur Hoffnung, eine Kaffeetasse erstehen zu können, die mit in Braille Schrift versehenen Tourdaten oder wenigstens der Name von Stevie Wonder versehen sind. Gabs leider nicht. Vielleicht wäre das ja eine Idee, die noch umgesetzt werden sollte. Ich fände es spaßig.

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