Ein fester Termin im Jahreskalender ist der große Flohmarkt am Münchner Frühjahrsfest. Es gibt zwar wöchentliche Flohmärkte in München, aber keiner ist so groß und weitläufig wie dieser. Es hat den Anschein, als dass die Einwohner der Metropole mit Herz nach dem Winter den Frühjahrsputz nützen, um ihre Kellerabteile und Speicher von nicht mehr benötigten Konsumgütern und Erbstücken von vor Urzeit verschiedenen Vorfahren zu befreien und so Platz für neue Dinge zu schaffen. Und die besonders geschäftstüchtigen unter den Frühjahrsputzern stellen sich für einen Tag auf den Flohmarkt und bieten ihre bereits mit Patina (Staub) bedeckten Pretiosen an fachkundiges Publikum, welches wiederum die Hoffnung treibt, zu Schnäppchenpreisen bereits ausgiebig getestete Produkte erstehen zu können. Nicht zu unterschätzen ist natürlich der Unterhaltungswert, den das Stöbern und das Aushandeln des Marktgerechten Preises liefert.

Wobei ich leider in den letzten Jahren einen dramatischen Verfall der uralten Kultur des Verhandelns feststellen muss. War es zu Beginn meiner Flohmarktkarriere noch üblich, teilweise zehn Minuten lang um drei abgegriffene Asterix Comics zu feilschen, weil 4 Mark einfach zu viel für das Taschengeldbudget waren, 3,50 Mark aber angebracht und man sich dann am Ende bei 3,70 Mark traf, sodass am Ende beide Parteien das Gefühl hatten, das bestmögliche rausgeholt und gekämpft zu haben, so trifft man heute entweder auf „Professionelle“, die zwar tolle Dinge feil bieten, dafür aber Mondpreise verlangen oder absolute Verhandlungslaien, die ihre Preise sowieso viel zu tief ansetzen. Gut, ich habe dann zwar Skrupel, meine gewohnte Prozedur abzuspulen (Augen nach oben verdrehen, nach Luft ringen und ein um 40 Prozent niedrigeres Gegenangebot abgeben), aber ich denke mir, hier geht es a) ums Prinzip und b) geht man ja nicht auf den Flohmarkt, um wie im Supermarkt vordefinierte Festpreise zu akzeptieren. Um so bitterer empfinde ich es, wenn mein Verhandlungspartner dann verdutzt schaut  und verschüchtert einschlägt. Ich fürchte wirklich sehr um des Deutschen Verhandlungsgeschick.

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Darum geht man auf den Flohmarkt. Um zwischen all dem alten Geraffel ein Juwel für zu Hause zu finden.

Es könnte natürlich sein, dass der gemeine Münchner sowieso froh ist, den feilgebotenen Kram los zu werden und denkt, dass der Käufer geistig minderbemittelt sein muss, für das Zeug auch noch Geld zu zahlen, was sonst auf die große Müllhalde vor der Stadt gelandet wäre. Ich muss gestehen, hier kann der Laptop und Lederhosen erprobte Bayuvare noch eine Menge von Kollegen der Nebenstände lernen, deren originäre Heimat die Weiten des Balkan oder Anatoliens zu sein scheinen. Leider ist deren Warenangebot selten deckungsgleich mit meinen Interessen oder Bedürfnissen. So toll echt goldene Wasserhähne und Kronleuchter auch sein mögen. Der Einrichtungsstil meiner vier Wände ist leider klassisch modern gehalten, da würde die Türklinke Modell „Schloß Neuschwanstein“ dem fein Abgestimmte Gesamtkonzept der Inneneinrichtung – sagen wir mal – einen zu starken Kontrastpunkt setzen. Und gebrauchte High-End Elektronik für den heimischen PKW nebst passender 100 Megawatt Subwooferbox in Pornorot, oder zum dritten Mal wieder verwendete 12 Zoll Schrauben (wo bekommen die die Dinger überhaupt her?)  benötige ich leider auch nicht.

Interessant ist es zudem, die diversen Moden und Trends der vergangenen Jahre zu sehen. So sind in letzter Zeit überproportional viele Homeshopping 5 Minuten-Fett-weg-Stepper in den Auslagen zu finden. Auch klassische Koffer scheint kein normaler Haushalt mehr besitzen zu wollen, seit es diese praktischen Rollkoffer mit den Ausziehgriffen gibt. Die älteren Leser unter Ihnen erinnern sich vielleicht noch. Es gab Zeiten, da hat man in großen viereckigen Kisten mit einem Henkel oben dran, die kompletten Utensilien einer Reise von Hand GETRAGEN und nicht hinter sich her gezogen wie eine Großmutter ihren Einkaufswagen. Zumindest wurden überproprtional viele von diesen antiquierten Kleinode ndes ausgehenden 20. Jahrunderts feil geboten und – interessant – insbesonders das junge Publikum, das sich den Bizeps auf moderne Art und Weise für viel Geld im Fitnesstudio stählt, zeigte großes Interesse daran. Trendforscher würden hier vielleicht schon den nächsten Hipe hineininterpretieren. Wie übrigens auch bei den Nierentischchen und Schuhschränkchen , die die Generation unserer Großeltern sich in den Wirtschaftswunder Jahren zur Gelsenkirchner Barock Anrichte in die gute Stube stellten. Von diesen praktischen und scheinbar praktisch unverwüstlichen Möbeln nebst Lampen waren auch unglaublich viele Sammelstücke zu sehen. 60er und 70er Jahre Plastikmöbel und Lampen wiederum sind mir keine Aufgefallen. Diese stehen bestimmt noch alle in Schwabing oder im Glockenbachviertel in den angesagten Lounges und Clubs, bis auch dieser Trend endlich sein Ende findet. Wer weiß, vielleicht kommen dann die 50er Jahre wieder. Schnäppchenjäger sollten jetzt schon zugreifen.

Normalerweise bringe ich immer irgend ein Schnäppchen mit nach Hause. Dieses Jahr waren sowohl ich als auch Susanne nicht sehr erfolgreich. Von ein paar Kochbüchern aus den 60er Jahren und einem Pernod Wasserkännchen abgesehen sind wir diesmal mit leeren Händen nach Hause gekommen. Das macht aber nichts. Meistens ärgere ich mich später, weil die neu erstandenen Schätze meist nichts anderes tun, als was sie wahrscheinlich die letzen 20 Jahre auch schon taten, irgendwo im Keller oder einer stillen Ecke vor sich hin zu stauben und zu warten, endlich weg geworfen oder zum Flohmarkt gebracht zu werden, damit ein anderer Mensch, der der Meinung ist, dieses Teil unbedingt besitzen zu müssen, es ersteht. Wie singt Elton John doch gleich so passend hierzu: that´s the circle, the circle of life…

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