Ja, auch in meinem fortgeschrittenen Alter gibt es noch Momente, die mit “mein erstes mal” überschrieben werden können. Gestern war wieder einer dieser seltenen Momente. Diesen Umstand habe ich im übrigen meiner Schwiegermutter zu verdanken, die uns mit einem frei Haus gelieferten WMF Schnellkochtopf überraschte.

Ich spielte schon sehr lange mit dem Gedanken, mir einen dieser faszinierenden Töpfe zu zu legen, die mit den vereinten Kräften von Hitze und Wasser die Garzeiten ohne Qaultätsverlust auf ein Bruchteil verringern. Ok, ich kann nicht behaupten, dass ich unbedingt einen benötigt hätte. Aber seit ich das Garen im Römertopf für mich entdeckte und ich nach dem Öffnen des Deckels jedes mal auf´s Neue von den unglaublich Ergebnissen überrascht werde, erwuchs in mir der dringende Wunsch, endlich einmal meine Kartoffeln, und den Pichelsteiner Eintopf bei 20 Grad über dem Siedepunkt weich zu kochen. Außerdem habe ich ein Faible für aus der Mode gekommene Dinge. Ja, ich gebe zu, im münzerischen Haushalt erlebt vom Rumtopf bis zum Bowleservice so manches anachronistisch anmutende Objekt einen zweiten, oder vielleicht sogar dritten Frühling.

Wann und warum geriet der Schnellkochtopf in Vergessenheit?

Nun möchte ich nicht behaupten, der Dampfkochtopf sei ein vom aussterben bedrohtes Küchenutensil. Dennoch wage ich die These aufzustellen, dass sich meine Generation eher einen total überdimensionierten High-end Ofen mit Dampfgarfunktion in die Küche stellt, denn ein unesexy wirkender Topf, der gefährlich pfeift, wenn er zu heiß wird und der, wenn es denn ganz dumm laufen sollte, mit einem unheilvollen Knall explodiert.

Ehrensache, dass ich den Topf noch am gleichen Tag ausprobieren musste. Nach kurzer Diskussion einigten sich Susanne und ich auf eine Hühnerbrühe mit Einlage, die sich besonders im Bezug Zeitersparnis bemerkbar machen sollte. Die Leser unter Ihnen, die, wie ich selbst, das Thema Slowfood nicht nur als Buzzword bei einer Dinnerparty verstehen, sondern als selbstverständliches Teil ihres Alltags leben, wissen, dass das Auskochen von Suppenfleisch und Knochen eine recht langwierige Angelegenheit ist, schließlich sollen die geschmacklichen Inhaltsstoffe von Suppengrün, -fleisch und Gewürzen in die Brühe übergehen. Und das dauert nunmal. Slowfood eben.

Nach der ausgiebigen Würdigung der Gebrauchsanleitung (die drohende Explosion aufgrund unsachgemäßer Handhabung sorgte noch immer für höchste mentale Anspannung. Lieber zweimal mehr gelesen als einmal die Küche neu renoviert) schritt ich zur Tat. Und was soll ich sagen? Wenn man einmal weiß, warum welcher Regler was tut, ist der Rest eine “gmahte Wiesn” (bayrisches Sprichwort für “hoppla, das ist aber einfach”).

Schnell und einfach, man muss nur wissen, wie es geht

Zugegeben, es bedarf eine gewisse Zeit der Eingewöhnung, bis man wegen des schrillen Entweichen von überschüssigem Druck aus dem kleinen Sicherheitsventil nicht in Schockstarre verfällt und sich reflexartig mit beiden Händen den Kopf schützende auf den Boden zu werfen. Es handelt sich bei diesem akustischen Signal nämlich lediglich um den Hinweis, dass ab nun der eigentliche Kochprozess beginnt.

Ansonsten ist der Rest des Garens eine sehr entspannte und vor allem unglaublich schnelle und energiesparende Sache. Eine ordentlich angesetzte Brühe dauert im normalen Topf etwa eine Stunde, bis sie fertig ist. Dagegen muten die 20 Minuten des Schnellkochtopfs (bei mininimalster Flamme!) geradezu weltrekordgleich an.

Und so komme ich zum Frage, die ich mir seit meinen ersten Gehversuchen mit Schwiegermamas Schnellkochtopf stelle: wieso nutzen nicht viel mehr Menschen diese evolutionäre Küchentechnik? Wieso investieren vom Hobbykoch bis zur Hausfrau und Mutter einer mittleren Großfamilie ihr Geld in verchromte Küchenmaschinen und Smoothiemaker statt in einem vernünftigen Kochtopf, der sich aufgrund der Energieersparnis nach einiger Zeit amortisiert haben wird? Von der Zeitersparnis einmal ganz abgesehen?

Es würde mich wirklich interessieren, wann und warum der Dampfkochtopf in den vergangenen 30 Jahren in Vergessenheit geraten konnte. Sollte es daran liegen, dass in den in inflationärer Anzahl gesendeten Kochshows von Tim Mälzer, Jamie Oliver und Kollegen uns mit vielen exotischen Rezepten aus aller Herren Welt unterhalten, das Hantieren mit Wok und Sushimatten spannender sei als das kochen als mit einem Schnellkochtopf, der die Sendezeit über mit hermetisch verschlossenem Deckel vor sich hin köchelt? Oder liegt es einfach an der sich immer größerer Beliebtheit scheinenden Convenient Food Kultur? Um sich kurz eine Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben oder den Gourmetteller Exquisit mit Sauerbraten, Püree und Erbsen mit Mikrowellen bestrahlen zu lassen, bis es “Pling” macht, bedarf es wirklich keinen Schnellkochtopf.

Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen!

Vielleicht sollte ich einen Brief an Vox und Co. schicken und die Sender mit der Idee für eine neue Kochshowüberzeugen. Dort werden dann all die vielen Tricks, Utensilien und Kniffe präsentiert, und beschrieben , die für unsere Großmütter noch tägliches Einerlei waren. Den Titel hätte ich schon: “Steamkitchen – Dampfplauderer trifft Dampfkochtopf – die neue Kochshow mit Tim Mälzer”. Oder wie wäre “Küchenmädchenreport – zwischen Hot Pans und Einmachglas, So heiß kochten unsere Großmütter”. Das wäre dann eher ein Sendeformat für ein weibliches, junges Kochnachwuchstalent. Es wäre also nur eine Frage des richtigen Marketings und der richtigen Präsentation, um verloren gegangenes Küchenwissen einem breiten Publikum zu vermitteln.

Ich hoffe ich konnte Ihnen ein wenig meiner Euphorie vermitteln und Sie neugierig auf das Kochen mit dem Schnellkochtopf machen. Ich kann Sie nur ermutigen, es einmal auszuprobieren. Sie werden wie ich überrascht sein, wie einfach und schnell kochen sein kann, wenn man weiß, wie es geht. Jetzt liegt es an Ihnen, einen aus der Mode gekommenen Küchentrend wieder zum Leben zu erwecken. Denn, um es mit Fernan Caballero zu sagen: “There is a force more powerful than steam and electricity: the will.”

 

Hier steht der Meister persönlich am „place where magic happens“ (Schnellkochtopf) und überwacht kritischen Auges und mit viel Fingerspitzengefühl den Kochprozeß.

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