Es ist nun schon ein paar Wochen her, seit Deutschlands südöstlichstes Bundesland gewählt und sich von den Fesseln der letzten Alleinherrschaft einer Partei befreite. Der politisch kundige Leser weiß sofort, es handelt sich um Bayern, das Land der Laptops und der Lederhosen. Die CSU hat mit 42 Prozent das schlechteste Wahlergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg eingefahren – einen Wert, über den sich so manche andere Partei mehr als freuen würde; aber für eine Partei, die das Alleinregieren als Gott gegebenen Segen ansieht, reicht dies, um in tiefe Depressionen und Selbstzweifel zu verfallen. Seit letztem Freitag hat meine Wahlheimat nach langen Koaltionsgesprächen mit der Freien Demokratischen Partei endlich eine neue Regierung. Und was soll ich sagen, ich bin trotz allem mehr als enttäuscht.

Aber fangen wir von vorne an. Wieso wundert es mich nicht, dass es nun endlich auch die Christlich Soziale (vulgo Scheinheilige Rechtskonservative) mir-san-mir und uns-koh-koana Partei mit einer geradezu wagnerianerischen Götterdämmerung erwischt hat und sie nun zumindest für vier Jahre die absolutistische Macht gleich eines Ludwig II teilen muß. Mich hat schon immer die Selbstherrlichkeit überrascht, mit der die CSU nicht nur auf Bundesebene auftrat, nein, auch gegenüber ihren Schäfchen, die sie eigentlich als Volksvertreter gewählt haben. Um so unverständlicher beobachtete ich die letzten Landtagswahlen, als das Rhetorikwunder Edmund Stoiber sogar eine zweidrittel Mehrheit einholen konnte. Gut, nun ist das alles ja überfällige Geschichte. Für mich persönlich begann der Abstieg mit dem unglücklichen Versuch unseres vorletzen Landesfürsten, sich für die große Politik in Berlin entscheiden zu wollen, dann einen Superministerposten angeboten zu bekommen und diesen dann lieber doch nicht anzunehmen. Ich glaube, die Machtspiele, die parteiintern zum Sturz von Bayern Edi führten, haben die Position der Christlich Sozialen auch nicht unbedingt gestärkt. Und dass kurz vor der Wahl das internationale Bankenwesen in die Krise stürzte, (die Bayern LB mitriß und der damalige Parteichef Huber und bayrischer Finanzminister in Personalunion dummerweise Kraft seines Amtes als Landeskämmerer im Aufsichtsrat in der Bayern LB saß und das Treiben der Landesbank hätte kontrollieren und nicht nur die Vorstandsbezüge hätte genießen sollen) war so ja leider nicht voraus zu sehen.Dies stärkte aber nicht unbedingt die Position der Spitzenkandidaten im Wahlkampf.

Was ich persönlich der CSU vorwerfe, ist das schnelle Begraben des Transrapids, kaum dass Edmund Stoiber in die Wüste geschickt wurde (ich berichtete darüber: hier). Zugegeben, ich bin heute noch nicht darüber hinweg. Desweiteren verkrafte ich es nicht, dass Bayern als einziges Bundesland noch immer an den Ladenschlußzeiten von vor hundert Jahren festhält. Selbst in Mecklenburg-Vorpommern, dem ärmsten Bundesland unserer großen Nation, ist es möglich noch nach 20 Uhr und auch Sonntags (!) einkaufen zu können. Wieso ist das nicht in einem der reichsten Bundesländer möglich? Als geprügelter Steuerzahler geht ein erkleklicher Betrag in den Solizuschlag und Länderfinanzausgleich von meinem Gehalt runter (damit dann wohl die Bürger der ärmeren Bundesländer rund um die Uhr einkaufen können), aber ich hätte noch genug Taschengeld über, um dieses auch spät Abends für konsumptive Maßnahmen aufzuwenden. Irre ich mich, oder rufen die Politiker nicht sogar dazu auf, weniger zu sparen und mehr Geld auszugeben, damit die deutsche Wirtschaft, die viel zu sehr vom Export abhängt, am Laufen zu halten? Wieso werde ich, als braver Bürger, der nur helfen möchte, dann in meiner Bürgerpflicht beschränkt? Was mich noch mehr den Kopf schütteln läßt, ist der Gedanke, dass Bayern gerne so tut, als müsse am freistaatlichen Wesen die Welt genesen ; in München aber (wir erinnern uns, eine Millionen Einwohner Stadt und von den Bayern gerne als die heimliche Hauptstadt Deutschlands gewünschte Metropole) um 20.00 Uhr die Riegel vor die Ladentüren geschoben werden. Wie passt das bitte mit dem sich selbst gegebenen Titel „Weltstadt“ zusammen?

Meine Hoffnungen, nach dieser Wahl möge sich vielleicht das eine oder andere zum besseren ändern, ist leider enttäuscht worden. Der Ladenschluß bleibt, trotz FDP in der Regierung und was noch viel schlimmer ist, das Rauchverbot in Kneipen und Restaurants soll teilweise wieder zurückgenommen werden. Wie kommt man denn auf so eine schwachsinnige Idee? Ist es die absurde Meinung, die dicke Stumpen rauchenden Urbaiuwaren in Lederhosen hätten ihre Stimme verweigert, da sie nicht mehr im Bierzelt die sowieso schon schlechte Luft noch mehr verpesten dürfen? Besonders schön finde ich auch die Begründung, wieso das Rauchverbot abgeschwächt werden müsse, da nämlich „das mit dem Rauchverbot , jedenfalls mit großer Mehrheit in der Bevölkerung, als Verletzung dieses Grundsatzes „Leben und leben lassen“ gesehen worden ist“. Dieser Ausspruch kommt übrigens von meinem neuen Landesvater Horst Seehofer. Wer von meiner verehrten Leserschaft es nicht mehr in Erinnerung haben sollte, dieser Herr war einmal Gesundheitsminister und bis vor ein paar Tagen Verbraucherminister. Diese Position innehabend, bestätigte er noch bis in den Sommer diesen Jahres hinein, wie schädlich doch das Rauchen sei und wie toll das härteste Rauchergesetz in Bayern. Aha, aber dass sich Nichtraucher, zu denen ich mich übrigens auch zähle, vom Rauch anderer Menschen belästigt fühlen und ich vielleicht Opfer dieses „leben lassens“ sein könnte, das scheint das Stehaufmännchen und Oberopportunist Seehofer vielleicht nicht ganz bedacht zu haben. Gut, man muß ihm auch zu Gute halten, ein Mensch wie er kann ja nicht an jede Kleinigkeit denken. So ist er als in Berlin als Verbraucherminister für unser aller Wohl zuständig und muss darauf achten, dass nicht zu viel bleiverseuchtes Spielzeug aus China ungesunde Auswirkungen auf deutsche Kinder hat. Nebenher muß immer ein Auge auf das Treiben der CSU in Bayern geworfen werden, schließlich möchte man ja vielleicht doch noch einmal Ministerpräsident werden (hat ja am Ende noch geklappt), ab und zu sollte man sich auch mal bei der eigenen Familie zeigen (ist auch wichtig für das vertrauensvolle Image des guten Familienoberhaupts an die Wähler) und dann gibts da ja noch das Gspusi in Berlin mit dem von ihm unehelich gezeugten Kind. So eine Zweitfamilie will ja schließlich auch etwas von der kostbaren Zeit des Ministers haben. Seien wir doch einmal ehrlich, wenn wir so eine stramme ToDo Liste hätten und dabei alles mit Bravour bewältigen müssten, da können einem ja auch mal ein paar nicht ganz durchdachte Petitessen als designierter neuer König von Bayern unterlaufen.

Aber das ist ja das Schöne an Bayern. Als Bundesland, dass den Papst stellt, ist man einfach näher am lieben Gott dran. Sprich, hier wird dem König mehr verziehen als anderswo. Wir haben es bei Franz-Josef Strauß und bei Stoiber gesehen. Und ich fürchte, so wird das auch bei Seehofer laufen. Nur bei Günther Beckstein hat das scheinbar nicht funktionert, der sich nach gerade mal einem Jahr im Amt jetzt wohl einen neuen Job suchen muß. Aber der ist ja auch Protestant und Franke, sprich: kein echter Bayer. So hat am Ende alles wieder seine alte Ordnung und mir bleibt nur auf die nächste Wahl zu hoffen, damit ich endlich auch noch am Abend einkaufen gehen kann.

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