Da der Sommer dieses Jahr zumindest in München besonders an den Wochenenden ins Wasser fällt, gilt es somit die eingesparte Zeit, die unter normalen Bedingungen für ausgedehnte Biergartenbesuche oder Wanderungen im Voralpenland genutzt wird, einer anderen, sinnvollen Verwendung zu zu führen. Vielleicht hat der Dauerregen unterschwellig meine Psyche derart auf Wasser eingestellt, dass mir bei der Besprechung unserer Wochenendpläne die grandiose Idee kam, meine vom Alltagsstress schwer angeschlagene Work-Life-Balance mittels SPA (= sanem per aqua) Anwendungen wieder in ein gesundes Maß zu tarieren. Und wo könnte man das besser tun als in der Erdinger Therme von der Toren Münchens, der angeblich größten Saunalandschaft der Welt.

Da sich die Hinfahrt Dank sintflutartigen Regengüssen, Staus, wegen Stadtfesten gesperrten Hauptverkehrsstraßen und Verkehrsteilnehmern, die ihre praktischen Fahrstunden scheinbar bei den wenigen überlebenden japanischen Kamikazefliegern des zweiten Weltkriegs bekommen haben, war die angesammelten Stresshormone bei Erreichen unseres Ziels mit denen eines Kampfpiloten vergleichbar. Die riesigen Schlangen an den Kassen taten das Übrige, unsere Entscheidung, einen verregneten Nachmittag bei gut temperierten Dampf- und entspannenden Jacuzzi Bädern als nicht der Weisheit letzte Eingebung erscheinen zu lassen. Scheinbar waren wir nicht die Einzigen, die dem Wetter ein Schnippchen schlagen wollten.

Nachdem wir dann nach längerem Anstehen und entrichten eines nicht unerheblichen Betrags zwecks Erlangung einer zeitlich begrenzten Nutzung der Wellnesslandschaft dann endlich Zutritt zum Paradies eines jeden Frei-Körper-Kultur Jüngers bekamen (in den neuen Bundesländern viel netter als „Effie“ bezeichnet) war die Besucherdichte tatsächlich noch höher als in El-Arenal in der Hochsaison. Ich glaube, dieser Vergleich ist gar nicht so verkehrt. Lediglich die Bekleidungsordnung ist etwas unterschiedlich, da Badehosen, -anzüge und Bikinis nicht nur verpönt, sondern sogar verboten ist. Dementsprechend spazieren die Saunajünger entweder in Bademantel, einem Handtuch um der Lende oder gleich im Adams- oder Evakostüm durch die angeblich 134.000 qm Badeerlebniswelt.

Es sei gleich erwähnt, die Anlage ist riesig und man kann unter gefühlten 500 verschiedenen Saunen mit unterschiedlichen Temperaturen, Luftfeuchtigkeiten, Einrichtungen, Düften, Aufgüssen, Kalt- und Warmduschen und ich weiß nicht was noch alles zu einem gepflegten Saunatag dazu gehört, wählen. Das Ganze hat wirklich etwas von Disney Land: zahle einmal Eintritt und fahre mit was Dir Spaß macht. Steht Dir der Kopf eher nach klassisch finnisch, gehe rechts. Doch lieber der Hamamtyp? Dann halte dich links. Oder steckt in dir der Neandertaler? Please follow the signs to Stonehenge. Statt Mikey Mouse und Donald Duck hängen Bilder von Botticellis Venus und stehen klassisch römische Büsten und Torsen herum.

Zum Glück suchten wir zu Beginn unserer Wellnessanwendungen die Meditationssauna (60 Grad Celsius) auf. Eigentlich suchten wir eine Wärmestube, die nicht so überlaufen wie die anderen schien. Ich hatte kaum Zeit, mich auf die meditative Dudelmusik und den Ofen in klassischer Ying und Yang Form einzustellen, da strömten plötzlich Menschenmassen in den kleinen Raum, so dass ich mich schon fragte, ob die hier eine neue Energiesparmaßnahme durchexerzieren und die lauen 60 Grad mittels Körperwärme erzeugen wollen. 5 Minuten später bekamen wir des Rätsels Lösung, zur vollen Stunde gibt es einen meditativen Aufguss. Der Saunameister zeigte seine sensible Seite, änderte die Musik in noch langsameres Largo, verteilte Eismasken, die man sich über die Augen ziehen solle, damit die Gedanken nicht abschweifen (es gäbe ja auch genug nackte Haut zu sehen) und erklärte, dass er den Aufguss mit einem Gemisch von Melone (für die Entspannung) und Sommerwiese (weils ja eigentlich Sommer ist, auch wenn es draußen nicht so scheinen möge) vornehmen werde. Ich muss gestehen, das Ergebnis war mehr als erstaunlich. Nach den 15 Minuten, die ich in der Sauna saß, kam ich wirklich total entspannt und relaxed wieder an die frische Luft. Die Tiefenentspannung ging sogar so weit, dass selbst mein rechtes Bein eingeschlafen ist, ohne dass ich es merkte. Toll!

Die restlichen Saunagänge bedürfen keine weitere Würdigung. Aber das Freizeitprogramm zwischen den Schwitzphasen sollen hier noch erwähnt werden. Nach langem Suchen fanden wir nämlich doch noch zwei freie Liegestühle in der Ruhezone „Al Hambra!, die wir natürlich sofort okkupierten. Freunde des Voyeurismus sei dieser Ort besonders ans Herz gelegt. Hier finden sich zeigefreudige Pärchen, soweit man überhaupt von zeigefreudig in einem Nacktbadebereich reden kann. Kaum hatten wir es uns bequem gemacht legte sich ein anderes Pärchen 5 Meter weiter auf zwei freie Plätze. D.h. Er lag sich auf den Rücken und Sie streifte mit ihren beiden 75 B über sein Gesicht. Nachdem die sehr spezielle Gesichstmassage zu Ende war setzte Sie sich neben Ihn und hielt ein bisschen seinen kleinen Prinz, wahrscheinlich um zu vermeiden, dass dieser nach dem letzten Saunagang zu schnell auskühlt. Sehr rücksichtsvoll. Weiter hinten, wo das Licht noch schummriger wird, lagen zwei Pärchen Mitte 20, die sich gegenseitig mit Prosecco zuprosteten und sich auch sehr vertraut in den Armen lag. Sie schienen Spaß zu haben, näheres war leider ob der Ferne und des schlechten Lichts nicht zu erkennen. Schön war die Peditcure einer etwas älteren Dame, die wiederum links von uns weilte. Dank der byzantinischen Rundbogenarchitektur wurde das Schleifgeräusch ihrer Nagelfeile aufs trefflichste Verstärkt, sodass der ansonsten fast stille Raum von einer surrealen Geräuschkulisse untermalt wurde.

Ansonsten schien es mir so, als ob die verschiedenen Altersklassen sich in unterschiedlichen Nischen eingerichtet haben. Das jüngere Publikum eher im Sauna und den Liegebereichen, die älteren Damen und Herren bevorzugen eher die Badelandschaft mit der Wasserbar. Wo diese Altersgruppe sich zwecks eventuellen näheren Kennenlernens zurück ziehen konnte ich leider in den drei Stunden Aufenthalt nicht mehr in Erfahrung bringen. Aber das ist auch keine Zeit für ein Spaßlandschaft mit 134.000 qm Fläche.

Das heißt, wir werden wieder mal dort hin müssen, um noch die letzten offenen Fragen zu klären. Ich bin mir nur nicht so sicher, wie lange die Karenzzeit sein wird, bis ich Susanne dazu bringe, mit zu kommen. Zumindest schien sie sich in den Ruhephasen in der Al Hambra Ära alles andere als entspannt zu haben. Wenn ich die Kommentare wie „das gibts doch nicht. Sag mal, können die das nicht zu hause machen? Und wie muss man überhaupt drauf sein, seine Fingernägel in der Öffentlichkeit zu feilen!?“ richtig interpretiere.

PS: sollte sich einer meiner Leser interessiert zeigen, in der Erdinger Therme bewusst Kontakte knüpfen zu wollen, dem möchte ich zwei Links ans Herz legen joyclub.mobi und swingfreunde.de und dort nach Therme Erding suchen. Hier findet man Termine, Erfahrungsberichte und Hinweise, wo die Kameras versteckt sind, falls man es doch lieber etwas unbeobachteter haben möchte.

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