Einmal ist immer das erste Mal. Für mich ist es nun meine erste Kreuzfahrt, obwohl ich mich noch überhaupt nicht alt genug für diese Art des Reisens fühle. Auslöser war ein Brief vom Finanzamt, der uns eine erstaunlich erfreuliche Steuerrückzahlung ankündigte und Susannes brillante Idee, das unverhoffte Geld in eine Reise zu investieren, die wir uns ansonsten nicht leisten würden. Wie es am Ende zu einer Kreuzfahrt mit der Havarie Reederei Costa zu den „Metropolen der Ostsee“ (Warnemünde – Kopenhagen – Stockholm – St. Petersburg und Tallin) und dem Getränke All-Inclusive-Paket gekommen ist, muss wohl dem Zufall und dem günstigen Online Angebot geschuldet werden.

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich am dritten Tag unserer Reise auf dem Sonnendeck und versuche meine ersten Eindrücke mental zu verarbeiten, während drei Liegestühle weiter eine Dame im reifen 60+ Alter mit der typischen Kurzhaarfrisur Modell „Ich will keinen Sex mehr“ den Erotik-Bestseller „Shades of Grey“ liest und ihr Gatte mit Schnauzbart, wohlgeformter Bierplauze und einer mit Ferrari Abzeichen übersäten Jacke ein Nickerchen hält. Eigentlich könnte ich hiermit den Blogeintrag beenden. Denn diese kleine Episode steht für alle anderen Eindrücke, die Susanne und ich bisher auf der „Costa Fortuna“ gewinnen konnten.

Prinzipiell genieße ich den Aufenthalt auf dem Schiff. Ich mag das leichte Schwanken, wenn wir auf See sind, die kristallklare Luft und es macht unendlich Spaß, den Möwenschwärmen in den Häfen beim Umkreisen des Schiffes zuzusehen, in der Hoffnung, dass ein Passagier etwas Fressbares aus dem Fenster schmeißt. Möwen sind unglaublich elegante und geschickte Flugakrobaten.

Soweit wurde meine Vorstellung von einer mondänen Kreuzfahrt bestätigt. Um uns für unsere erste Sea Cruise vorzubereiten, haben Susanne und ich viel Zeit mit dem Ansehen der Serie Loveboat (Staffel eins bis drei) verbracht. Die gutaussehenden Passagiere und Captain Stubing und seine Crew verhießen den Traum vom unbeschwerten Bordleben, schönen Menschen und dem mondänen easy living, die das Reisen auf einem Kreuzfahrtschiff eigentlich auszeichnen sollten. Ich werde seit drei Tagen nun eines besseren belehrt.

Die ersten und weit gravierendsten Abstriche muss man bei den Mitreisenden machen. Mit 60+ zählt man hier noch zu den Jungen Wilden. Ich schätze, dass sich der Altersdurchschnitt eher bei Mitte 70 einpendelt. Entsprechen hoch ist die Rolator- und Rollstuhldichte. Was zudem sehr auffällt ist die Proportionalität zu Alter, Übergewicht und – wie kann man es am diplomatischsten ausdrücken – absonderlichen Kleidungsgeschmack, vielleicht. Animalprints in allen realen und Fabeltierarten, praktische Dreiviertelhosen in den verwegensten Farben und Formen, Multifunktionsjacken und Haarfarben, die passend zum  türkisen Top oder den rosa Socken in den Wandersandalen getragen werden, sind keine kleinen Schrullitäten einzelner Passagiere, sondern die konforme Norm der Mitreisenden.

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