Ades Zabel - Edith SchröderGestern waren wir seit langem einmal wieder im Namen der Kultur unterwegs. Die erste Arbeitswoche nach dem Urlaub war leider dermaßen stressbeladen, dass die so teuer bezahlte Entspannung an Mittelmeers schönsten Küsten gleich am ersten Arbeitstag wie von einem Orkan weggeblasen war. Der ganze beginnende Weihnachtstrara unterstützt meine vis comica auch nicht positiv, ganz im Gegenteil, er macht mir nur bewußt, dass ich noch kein einziges Geschenk besorgt und ich nur noch knappe vier Wochen Zeit habe, diesen Misstand zu beheben. Höchste Zeit also etwas gegen den Vorweihnachtsblues zu tun und die lustigen Seiten Konsumwahnsinns, der alljährlich inoffiziell bereits am 1.September mit den ersten Lebkuchen und Spekulatius beladenen Europaletten im Supermarkt und offiziell in der letzten Novemberwoche startet, zu tun. Da traf es sich prima, dass im Schloss ein Gastspiel mit Edith Schröder („Berlins bekannteste Hartz IV-Empfängerin“) und ihren beiden besten Freundinnen, Leggingsboutiquebesitzerin-Biggi und Kneipenwirtin Jutta angekündigt wurde.

Wie zu erwarten wenn Männer in Frauenkleidern auf der Bühne stehen und ein Feuerwerk von Klamauk und schrägen und teilweise nicht ganz jugendfreien Herrenwitzen abbrennen, waren auch hier fast nur seltsam geklont scheinende Männer im Publikum zu sehen. Als mittlerweile absoluter Kenner der „Szene“ war es mir möglich, gleich mit dem ersten Blick zu erkennen, dass es sich hier um Schwuppen handelte. Ich frage mich immer noch, warum diese alle zu 80% kahl rasierte Köpfe (die sie mit Schirmmützen vor der bayuwarischen Winterkälte schützen), evtl. ein Ziegenbärtchen ( auch Goatee genannt) und zum großen Teil Lederjeans tragen. Ich habe ein paar Fotos von der Bühne gemacht. Durch das sehr glatte Profil der Köpfe der Zuschauer und der Beleuchtung scheint es, als sähe eine Abordnung Landskinheads auf Großstadtausflug einer deplazierten Theatergruppe in schrillen Kostümen zu. Ob das den Herrschaften eigentlich so bewußt ist? 🙂

Das Theaterstück selbst ist schnell erzählt. Drei Neuköllner Freundinnen beschlißen, zusammen Weihnachten zu feiern und sich gegenseitig mit einem kleinen Geschenk zu beglücken. Da die Damen von Hartz IV, Leggingsverkauf und Schankbierausschank leben, wird daher schon mal versucht, die Geschenke so kostenneutral wie möglich zu erstehen. Ein Kalauer reiht sich an den anderen und für einen zugereisten Bayer, der ich nunmehr bin, war der furchtbare Berliner Slang das Highlight des Abends. Das liebevolle „watt is denn ditte?“ oder „ick ooch“ sorgte für einen besonderen Charme und da sich die Damen auch über die verzeckten Zustände in Bus, Bahn und Alltag in unserer aller Hauptstadt ausließen, war der Abend eine gelungene Mischung aus leichter Unterhaltung und sozilogische Studie des Hauptstadtprekariats – was meinem bildungsbürgerlichen Wissensdurst als studierter Soziologe besonders gerecht wurde.

Zu erwähnen bliebe noch, dass die Show drei Stunden dauerte, prima Augustinerbier ausgeschenkt wurde und es für den kleinen Hunger Käse oder Wurstteller zum humanen Preis gab. Leider war es nur ein Gastspiel, sodass der geneigte Leser, der nun auch Lust auf ein durchgeknalltes Vorweihnachtsevent bekommen haben sollte, nur übrig bleibt, nach Berlin zu reisen. Aber im Frühjahr kommt die lustige Truppe wieder nach München, dann mit dem Sommerprogramm, das bestimmt kein bisschen langweiliger sein wird als die Weihnachtsgeschichte. Mein Rat: jetzt schon Tickets sichern!

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