Heute habe ich einen recht interessanten Artikel zum Thema Trends und Marketing für Luxusgüter gelesen. Zugegeben, ich gehöre nicht ganz in die besagte Zielgruppe. Das heißt, dazu gehören würde ich schon (ich sehe bestimmt prima in einem gewienerten Bentley aus, neben mir ein zwanzigjähriges Blondinchen im durchsichtigen Prada- Fähnchen, dem ich eine neue Nase und die silikonöse Aufpolsterung des BHs um drei Körbchengrößen spendiert habe. Diese Bella Machina wurde für so Stil sichere Menschen wie mich entworfen!), leider fehlt mir das passende Taschengeld, um mich mit den besagten Luxusgütern umgeben zu können.

In diesem Artikel erklärt Peter Wippmann (scheinbar ein namhafter Trendforscher in Deutschland), dass der weibliche Teil der Haut Volée gerade auf sogenannte “It- Bags” steht, die aussehen, als kämen sie aus den Armenvierteln Indiens. Es handelt sich um diese blau-weiß oder rot-weiß gemusterte Reisetaschen (Reissäcke), die wir alle schon an Flughäfen und Bahnhöfen bei anatolischen Großfamilien gesehen haben, die ihren kompletten Hausrat in die kurdische Sommerfrische mitnehmen müssen/wollen. Allerdings klemmt sich die Dame von Welt diesen profanen Plastiksack ein paar Klassen kleiner unter den Arm (für das Sperrgepäck gibt es schließlich Personal) und ganz wichtig: das It-Bag muß unbedingt den Louis Vuitton Aufdruck tragen! Nun fragt der verwunderte Leser sich, wieso geben reiche Menschen, die sich für das gleiche Geld ein Wunderwerk der Küfnerkunst aus handgestreicheltem Hochlandnappaschamhaarleder kaufen könnten, für festere Mülltüten Geld aus? Die profane Antwort des Trendforschers überrascht uns verschämt Alditüten tragenden Normalmenschen: Wer diese Tasche trägt beweist, dass er über den Dingen steht und neue Perspektiven entdecken kann.

Aha.

Diese neue Sicht der Dinge der oberen Zehntausend habe unter anderem damit zu tun, dass Luxus gerade neu definiert werde. So sei es heute u .a. Luxus, globale Verantwortung zu übernehmen und “soziales Feedback” in die Gesellschaft zurück zu geben. Die Oberklasse gründet immer neue Stiftungen, um – in welcher Form auch immer – Armen zu helfen und die Welt zu retten. Wer alles hat, der kann eben großzügig geben und verzichten. Der Begriff Karma-Kapitalismus ist geboren! Dahinter steckt das Konzept, dass man für sein Leben verantwortlich ist und der moderne Millionär irgendwann in der zweiten Hälfte seines Lebens zur Einsicht kommt, dass ein großzügiges Geben ein besseres Karma verschafft, als nur zu nehmen.

Ein weiteres Beispiel ist das Thema Gesundheit, an dem man schön zeigen könne, dass man es sich leisten kann, Zeit und Geld in traumhaften Spa- und Wellnessoasen zu investieren – das ist Luxus. Für die sogenannten Postmaterialisten (die soziale Schicht der Erfolgreichen, die nicht mehr nach Materiellem streben) ist es einfach wichtiger, in den eigenen Körper und das Wohlbefinden zu investieren.

Ich hoffe, ich bin nicht der Einzige, der sich sofort fragt, wieso Menschen, die es sich sowieso leisten können, über den Dingen zu stehen, die etwas für ihr Karma tun wollen UND die gerne in Gesundheit und Wellness investieren, um ihr Wohlbefinden zu erhöhen, wie also genau diese Menschen nicht einfach einmal für zwei, drei Wochen ehrenamtliche Arbeit in einem Unicef Camp im Sudan oder so tun wollen? Dort könnten sie alles auf einmal haben. Das Karma für das Leben nach dem Tod verbessern, durch das Verteilen von Lebensmittelspenden etwas am Bizeps und Latissimus arbeiten, durch die Arbeit an frischer Luft und gleissender Sonne eine gesunde Farbe im Gesicht bekommen UND täglich das Material aus dem die It-Bag Träume sind, in die Hand nehmen. Ich glaube, das LV Taschenmaterial ist nämlich genau dasselbe, aus dem auch die Mais- und Weizensäcke der Care Lebensmittelspenden sind. Vielleicht wäre das auch etwas zu einfach und vor allem, zu preiswert, um damit in der Schickeria zu punkten. Es scheint eben doch nicht einfach zu sein, ein Luxusleben führen zu müssen. Was können wir Normalos doch zufrieden sein, uns darüber keinen Kopf machen zu müssen. Karma-Kapitalismus ist eben nicht für Kreti und Pleti geeignet. Gott sei´s gedankt.

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