Nun lebe ich ein ganzes Jahrzehnt in München und erst jetzt habe ich es geschafft, das Shoppingparadies Ingolstadt Village zu besuchen. Eigentlich ist das gar nicht so verwunderlich, denn zu meinen größten Hobbies gehört bestimmt nicht das Einkaufen. Im Gegenteil, ich versuche den diversen Stätten des Konsums so weit wie möglich auszuweichen. Nicht, weil ich grundsätzlich Angst vor dem Geldausgeben hätte. Es ist einfach die Tatsache, dass mir in den Läden zu viel Gewusel ist und ich eine besondere Aversion gegen unzivilisierte und unkultivierte Landyetis habe, die in Scharen am Wochenende in die Großstadt einfallen, die nicht schauen, wo sie hinlaufen, ihren slow motion country style beat durchziehen und mir so den Platzt zum Atmen nehmen. Nicht zuletzt hasse ich es, Kleidung im Allgemeinen zu kaufen. Leider scheint mein Astralkörper nicht den gängigen Konfektionsgrößen gerecht werden zu können und so wird das Anprobieren von Hosen, Hemden und Co jedesmal zum köperlichen Höchstleistungssport und mentalen Ernüchterung. Wer sich näher mit Psychologie und mit dem Konditionieren im Besonderen beschäftigt hat, der weiß, dass all diese Dinge negative Verstärkungen sind, die mir das Shoppen nicht zum Genuß werden lassen. Eher das Gegenteil ist der Fall. Da nützen auch keine unterschwelligen Verführer wie exotische Duftöle, die in die Klimaanlagen der Konsumtempel eingeträufelt werden, um so im Unterbewußtsein Konsumhemmschwellen abzubauen. Zumindest bei mir nicht. In meinem transzendentalen Geisteszustand, der mir das Einkaufen auferlegt, rieche ich nur abgestandene Luft mit geringem Sauerstoffanteil mit Anteilen alten, miefigen Körperschweißes fremder Menschen.
Da ich mir Anfang der Woche ein Navi für die anstehende Urlaubsreise quer durch Deutschlands Gauen (online!) erstanden habe und wir vor Antritt der großen Fahrt das neue Gadget erst einmal auf Herz und Nieren (oder besser: auf Ortungssinn und Funktionalität) testen wollten, ließ ich mich von Susanne dazu hinreißen, für einen „kleinen“ Shoppingabstecher eine längere Reise im Automobil anzutreten. Ein weiterer Grund, aus München zu flüchten war unterbewußt auch die Tatsache, dass an diesem Tage die CSD Parade direkt an unserem Haus vorbei marschierte und wir uns den Anblick von Schwuppen in Tuckenstyle und Lesben in Kampfhosen und Lederwesten ersparen wollten. Ich möchte nur kurz erwähnen, dass der Fahrer zwischen Sabine und Peter als Sprecher wählen kann und wir uns für Peter entschieden haben. Der klingt weniger holzig. Und von einigen Unstimmigkeiten, was der kürzeste Weg von der Stadtgrenze zu unserer Wohnung ist, hat das Gerät seinen Dienst brav und soweit ganz zufriedenstellend erfüllt. Susanne meint zwar immer noch, dass das Ding unnötig sei und nur meinen persönlichen Spieltrieb befriedigen würde. Ich persönlich bin aber davon überzeugt, dass es mir viel nerviges Blättern im Autoatlas und Diskussionen ersparen wird, ob wir die richtige Autobahn aufgefahren sind oder nicht.
Nachdem nun Peter mit einem metallernen „Sie haben Ihr Ziel erreicht“ das Ende unserer Fahrt ankündigte und uns ein paar Checker mit Warnwesten zu dem am weitesten abgelegenen Parkplatz wiesen, standen wir nun vor einem Outletcenter, das scheinbar direkt aus irgendeinem US-amerikanischen Subburb mitten auf die grüne Wiese vor Ingolstadt gebeamt wurde. Eine komplett künstliche Dorfanlage mit kleinen bunten Häuschen, die wohl das Gefühl eines mediteranen Plazas vermitteln sollen und in denen die einzelnen Outletläden beheimatet sind. Leider hat der Dauerregen dem gewünschten Ziel der Planer einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Egal, der erste Weg ging direkt in den einzigen Laden, der mein Interesse weckte, der von Fred Perry. Ich bin wirklich kein Markenjunky, aber die Poloshirts dieser Marke begleiten mich nun schon das halbe Leben und ich trage meine ersten Freds noch heute regelmäßig. Die Dinger sind zwar – sagen wir mal – preislich nicht ganz das unterste Segment… aber dafür zeitlos und nicht kaputt zu bekommen. Außerdem sind sie cooler als Lacoste und Co. und sie machen immer einen perfekten, schlanken Fuß. Ich schwöre darauf. Wenn Piquet-Hämdle, dann nur Fred Perry. Leider ist mir immer noch nicht klar, warum diese Marke Kultstatus sowohl bei den glazköpfigen Irren namens Skins als auch bei unseren homophilen Freunden aus dem Glockenbach hat. Irgendwie beißt sich das und ich zähle mich zu keiner der beiden Fraktionen. Scheinbar ist Fred Perry auch DIE Marke für intelektuelle Größstädter mit Freude an Kunst, Kultur und gehobener Gastronomie. So würde zumindest ich mich als Zielgruppe beschreiben.
Daher war ich mehr als begeistert, endlich einen Laden gefunden zu haben, der nicht nur eine Riesenauswahl an Polohemden hat, nein, auch Sneaker und sonstige Accessoires (sehr selten auch in München zu bekommen!) sind hier erhältlich. Und dass alles zu einem absoluten Schnäppchenpreis. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich hier einer der ganz, ganz seltenen Momente hatte, bei denen mir das Einkaufen von Kleidung Spaß machte und mich vielleicht sogar zu einem leichten Kaufrausch hinreißen ließ. Der Konjunktur und dem Verkäufer bei Freddy wirds gefallen haben. Meiner Kreditkarte nicht. Egal, der Stapel Hemden wird ja wieder 10 Jahre halten und im Laufe der Zeit die ganz eigene Fred Perry Patina bekommen und so nur noch wertvoller für den Träger werden.
Der Laden wird mich nicht zum letzten Mal gesehen haben. Wir haben danach noch andere Läden wie Helly Hansen, Falke und ich weiß nicht mehr was angeschaut. Da ich aber wegen der Reizüberflutung, der ich mich im ersten Shop ausgesetzt hatte, für weitere Konusumansprache nicht mehr zugänglich und mein Taschengeld für den Tag schon mehr als überzogen war, gingen all die anderen Schnäppchen der weiteren Läden, die wir besuchten, im Tunnelblick unter. Für den nächsten Besuch im Ingolstadt Village (wird wohl dann sein, wenn Fred Perry die Winterkollektion auspackt), werde ich mir aber ganz fest vor nehmen, auch die anderen Läden gebührend zu würdigen. Aber mal ehrlich, wer braucht schon ein T-Shirt von Allerweltsmarken wie Helly Hansen, Strellson oder Hallhuber, wenn er THE Brand für nen symbolischen Apfel und Ei erwerben kann?
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