Es gibt viele schöne Orte, an denen sich vortreffliche Urlaube verleben lassen. Und es sollen auch Trauminseln darunter sein. Unser diesjähriger Urlaub führte uns eher unfreiwillig auf Deutschlands westlichste Nordseeinsel. Der geographisch geschulte Leser weiß sofort, hier handelt es sich um die Insel Borkum mit seinen – O-Ton eines Kollegen, der hier wohl seine halbe Kindheit verbrachte – “karibischen Sandstränden”.
Trotz meiner weltoffenen und unvorgenommenen inneren Einstellung konnten mich auch diese euphemischen Begeisterungsaussprüche nicht wirklich von unserer diesjähriger Wahl des Urlauborts überzeugen. Noch heute frage ich mich, wieso Menschen ohne psychischen Probleme freiwillig 1000 Kilometer quer durch ganz Deutschland reisen, um auf dem nord-westlichsten Ausleger, den diese Republik zu bieten hat, seine kostbare freie Zeit zu verbringen. Insbesondere wenn man bedenkt, wo man bei gleicher Distanz hätte hinreisen können, hätte man nicht die Richtung Nordpol sondern dessen Antipode gewählt.
Um es kurz zu machen: Diese Insel ist ein Kleinod für jeden, der die Arbeiterklasse des Ruhrpotts in freier Wildbahn beobachten und dieses gerne bei maritimem Reizklima machen möchte. Falls ein Marktforschungsinstitut gerade überlegen sollte, über Deutschlands prekariäre Milieus zu forschen, sollte es sich hier etwas genauer umsehen. Obwohl Borkum nur 5.000 Einwohner zählt, kann hier an sonnigen Tagen locker eine Kohorte von 20.000 Zielpersonen zusammen gestellt werden. Und das innerhalb einer halben Stunde. Lediglich ein kleiner Spaziergang durch Borkums “Schinkenstraße” und ein paar paar Schritte über den karibischen Strand sind von Nöten. Voilá!
Ich muß gestehen, Borkum hat es uns auch nicht wirklich leicht gemacht, es uns liebenswert zu machen. Nachdem wir Abends mit der letzten Fähre von Festland angekommen sind und unser Quartier bezogen hatten, war es schon kurz vor 22 Uhr. Die Vorfreude auf frischen Fisch in allen erdenkichen Variationen wurde leider innerhalb kürzester Zeit von einer ernüchternden geistigen und insbesondere körperlichen Leere überlagert. Obwohl sich zu Stoßzeiten angeblich bis zu 30.000 Touristen auf der Insel die Strandkörbe und Sandburgen streitig machen, sind die Küchen der hiesigen Restaurationsbetriebe nur bis 22 Uhr geöffnet. Vielleicht hat dies mit der weltbekannten friesischen Gastfreudnschaft zu tun. Oder vielleicht ist es einfach nur der Tatsache geschuldet, dass die Kurgäste, die das Reizklima der Insel genießen, eher zur Generation 50+ gehören und das Diner entweder im Kurhotel einzunehmen gedenken und das jüngere Publikum (ja, das gibt es tatsächlich auch) mehr auf klassische Selbstversorgung steht und sich vor dem abendlichen Defilée auf der Bismarkstraße (oder Schinkenstraße, wie ich sie gerne nenne), zu hause verköstigt.
So hatten wir wenigstens bereits an unserem ersten Abend die Möglichkeit, einen sehr schönen Eindruck von Borkum zu erlaufen. Um es kurz zu machen, nach dem wir total unterzuckert und viele, viele Restaurants weiter fanden wir dann doch noch eine Lokalität, deren Küche noch nicht das Licht gelöscht hatte und wo wir tatsächlich noch etwas zu Essen bestellen konnten. Leider sollte der erste Eindruck, den ich von Borkum hatte hier auf erschreckende Weise verstärkt wurde. Ich bestellte mir eine Scholle mit Kaisergemüse und Salzkartoffeln und einem kleinen Salat und Susanne eine Lachslasagne. Wir machten uns einen Spaß daraus zu überlegen, wann wir das letzte Mal so schlecht gegessen hatten. Ich kam zum Schluß, dass es bei der Bundeswehr gewesen sein muss. Um es mit Susannes Worten zu sagen “nun ist mir klar warum das Kaiserreich abgeschafft wurde”. 🙂
Sollte nun der Eindruck entstanden sein, das Borkum kein Ferienparadies sondern der Vorhof zur Hölle ist, so möchte ich das natürlich mit aller Entschiedenheit verneinen. Es gibt tatsächlich auch einige schöne Dinge, die mir wiederfahren sind und die den Urlaub auch zum Urlaub machten. Das berichte ich aber beim nächsten Mal. Vielleicht sind bis dahin auch die Fotos vom Strand und den Dünen entwickelt. 😉