Es ist geschafft, das Oktoberfest 2008 ist seit gestern Abend Geschichte. Selten hat sich für mich das alljährliche Münchner Großereignis so früh so negativ angekündigt. Noch vor dem Anstich des ersten Fasses war München von Touristen aller Couleur aus allen erdenklichen Längen- und Breitengraden übervölkert. Das ging sogar soweit, dass Susanne und ich abends schnell etwas essen gehen wollten und wir nach einem eineinhalb stündigen unfreiwilligen Moonlight Spaziergang und 7 Stammrestaurants später, in einem Chinarestaurant gelandet sind, das wir bestimmt nicht mehr besuchen werden, das uns aber das Gefühl gegeben hat, nun zu wissen, wie ein saftig abgehangener Hund und tausendjähriger Fisch wohl schmecken müssen.
Da wir im Glockenbach und in 15 minütigen Fußweg zur Theresienwiese leben, ist es auch für mich verständlich, dass man hier etwas mehr vom Bierfest mitbekommt als der normalsterbliche Münchner. Lediglich die Zeitigkeit und die Heftigkeit, mit der die diesjährige Wiesn auf uns einbrach, ließ mich schlucken. Eigentlich war es wie jedes Jahr. So dürfte es nie einfacher als während der Wiesn sein, in Italien militärisch einzumarschieren und zu okkupieren, da sich wirklich alle Ragazzi im wehrfähigen Alter in München zum Komasaufen und junge Damen in Dirndl schöne occhioni zu machen,befinden. Sprich, es gibt in der Zeit keine appeninische Gegenwehr. Auch alle Jahre wieder lassen sich Wiesnoutfits bewundern, bei denen sich ein kritischer Beobachter manchmal schon die Frage stellen muß, was das noch mit Tracht zu tun hat oder ob es sich hier nicht eher um das missglückte Outfit eines Nachwuchsstars aus dem lustigen Musikantenstadl handelt. Auch immer wieder schön: die „I survived Okoberfest 200x“ T-Shirts und die alle Jahre wieder lustige Seppelmützen. Bavaria at it´s best – sozusagen.
Solange ein hübsches Mädel ihren adretten Balkon in einem Rüschenblüschen zur Show stellt, bin ich der Letzte, der sich über ein zu kurz geschnittenes Dirndl beklagt. Leider gibt es aber auch andere Fälle. Dieses Jahr fiel mir jedoch etwas Neues auf, was mein ästhetisch sensibilisiertes Auge immer wieder zur Tränenbildung anregte. Tattoos an den unmöglichsten Stellen. Ich frage mich schon seit längerer Zeit, was eine Frau an einem Tattoo auf der Brust schön finden kann. Besonders schlimm wird es, wenn eine Frau mittleren Alters sich ihren Lieblings- Flipper oder eine neckische Rose auf die Brust bannen läßt. So ein Busen hat meines Erachtens nichts in einem Dirndl zu suchen. Liebe Leserinnen, die sich eventuell betroffen fühlen – NEIN, DAS IST WEDER SCHÖN NOCH SEXY, SONDERN NUR PEINLICH!
Aber liebe Herren, auch bei Euch gibt es Verfehlungen, die nicht entschuldbar sind. Wer unbedingt auf der Wade, dem Schienbein oder sonst wo auf dem Unterbein stolzer Besitzer einer kunstvollen Tätowierung ist, der möge doch bitte nicht auch noch eine kurze Lederhose anziehen. Besondere Krönung: das Ganze mit Wadlwärmern aufzupeppen. Ich habe Fälle gesehen, da lachte eine diabolische Teufelsfratze zwischen Krachlederner und Haferlschuh und der Wadlwärmer sah aus, als sei es das Schweißband… Auch schlimm und anscheinend sehr trendy, chinesische Schriftzeichen an den Beinen (bei beiderlei Geschlecht anzutreffen).
Es gab natürlich auch schöne Momente auf der Wiesn, so ich mich auf den Festplatz getraut habe. Ich hatte einen wunderschönen Wiesntag mit meinen Spezln, auch wenn es am Ende wieder das Hippodrom geworden ist. Auch das Freibier mit meinen netten Kollegen auf unserer Firmenwiesn möchte ich nicht verpasst haben. So macht Arbeit Spaß. Aber ich bin ganz froh, dass sich die marodierenden Sauftouristen wieder in den Flieger nach Hause gesetzt haben und ich endlich wieder Ruhe in meinem Viertel habe. Jetzt heißt es zwei Monate verschnaufen und dann beginnt ja schon wieder die Weihnachtssaison. Dann kommen sie wieder, die Italiener, Amerikaner, Japaner und Australier, beneiden Bayern um ihre Gemütlichkeit, belagern alle Christkindlmärkte und trinken überteuerten Glühwein und kaufen den blau-weißen Kitsch, den sie hier sonst nicht an den Mann bringen. Lediglich schlecht platzierte Tattoos wird man nicht sehen können. Dazu ist München im Dezember einfach zu kalt. Man kann also auch Väterchen Frost etwas positives abgewinnen, wenn man nur sucht.
Rosen und Delfine auf dem Dekolletée – das geht wirklich gar nicht. Getoppt wird das ganze nur noch durch Arschgeweihe oder einem kleinen Teufelchen auf dem Schulterblatt. Uuuhh.
Manche mögen das spießig finden, aber ich bin stolz darauf weder tätowiert noch gepierced zu sein.
Haut rein
Alessandro