In letzter Zeit ist es mir immer häufiger aufgefallen, welch komische Blüten die Globalisierung mit unserem Essen und Essensgewohnheiten treibt. Slowfood Anhänger wie ich mich selbst als einer bezeichnen würde, achten darauf, Lebensmittel aus der Region und zu den jeweils passenden Jahreszeiten zu konsumieren. Das hat nicht unbedingt etwas mit der sich dadurch ergebenden positiven Ökobilanz zu tun (der kritische Konsument achte einmal auf das Kleingeruckte der Schilder bei der Obst und Gemüseauslage. Wieso müssen Äpfel aus China oder Neuseeland importiert werden?). Nein, im Allgemeinen schmecken die Produkte und Gerichte einfach besser, weil sie a) authentischer sind und b) reif geerntet oder vor Ort geschlachtet wurden und ein Apfel dann eben nach Apfel und nicht nach Pappe schmeckt und ein Schweineschnitzel nach Schweineschnitzel und nicht nach Stresshormonverwässertes etwas.

Daher freute ich mich vor einigen Wochen auf eine ehrliche Currywurst, die ich mir bei meiner letzten Berlinreise genehmigen wollte. Dieses Kleinod Deutscher Esskultur ist in München leider noch seltener vorzufinden wie eine Schweinshaxe mit Sauerkraut in einem afgahnistanischen Talibandorf. Es gibt zwar einige – und in letzter Zeit verstärkte – Versuche, diesen Klassiker der Deutschen Imbissbude auch im Land der Weißwurst und der Leberkässemmel zu etablieren. Aber so lange der Münchner sich weigert, eine klassische Frittenkultur wie wir sie aus dem Ruhrpott und dem Rheinland her kennen, zu etablieren, so lange wird eine Currywurstbude im Stadtbild exotischer bleiben als ein Mongolengrill, der handgestreichelter Albinostör in selbstgeleichtem Veruga-Kaviar als Plat-de-Jour anbietet. Leider hatte ich mit der Wahl der Würstchenbude nicht den erhofften Erfolg. Die mundgerecht portionierte Wurst wurde mit handelsüblichem Ketchup begossen und einen Schwung Currypulver getoppt. Nix besonderes, kann jeder zu hause selber machen. Wo wir doch alle wissen, dass das Geheimnis einer erstklassigen Currywurst neben der Wurst die Soße ist. Letztes Jahr lief ich einmal mehr als 2 Stunden durch Berlin, um überhaupt eine Currywurstbude zu finden! Ich erinnere mich, dass es Dönerdreher an jeder Ecke drei gab, aber eine Heimat für eines der wenigen kulinarischen Errungenschaften Preußens war nirgends zu entdecken. Enttäuscht entschied ich mich dann für den Verzehr eines Breulers, das geschmacklich sehr ansprechend war, aber Brathändl gibts halt auch in München, dazu braucht es keine Reise in unsere arme aber sexy Hauptstadt.

Umso erstaunter war ich nun, als ich letzte Woche auf Mallorca einer der besten Mantateller (Currywurst mit Pommes) genossen habe, und das zu einem absoluten Spottpreis. Dabei war ich auf der Suche nach einer netten Tapas Bar, wo ich eigentlich ein paar Sardinen, Oliven und etwas Schinken zu einem Glas Rotwein zu mir nehmen und die balearische Sonne stilecht auf mich und meinen bleichen Büroteint wirken lassen wollte. Aber auch hier ist mir das gleiche Schicksal wie schon in Berlin wiederfahren, nach stundenlangem sinnlosem Umherlaufen gab ich die Hoffnung auf, auch nur ein annähernd spanisches Restaurant zu finden (wer wissen möchte, wo man einen Japaner, Chinesen, Russen oder gar einen Kolumbianer in Palma finden kann, der möge sich gerne bei mir melden). So begab es sich, dass ich am Ende in einer Würstchenbude am Yachthafen endete, eine „Currysausage with French Fries“ bestellte und um so erstaunter war, dass die Dame hinter dem Tresen in bestem Deutsch antwortete, „det dauert noch fümpf Minuten. Ick bring det denn an den Tisch“. Naja, ein bisschen Tapas-like ist so eine Currywurst ja schon. Immerhin pickt man mit einem Zahnstocher mundgerecht geschnittene Fleischstückchen aus einer Schale.

Nun ja, was ist nun so besonders daran, auf Mallorca eine gute Currywurst zu essen, auf der Insel gibt es schließlich mehr Deutsche als Berliner in Kreuzberg, wird sich nun der ein oder andere fragen. Richtig. Was ich an dieser Erfahrung so erwähnenswert finde ist die traurige Tatsache, dass es dank Globalisierung und Verfügbarkeit jeglicher Art von Küche und Lebensmittel heute wahrscheinlicher ist, typisches Essen einer Region besser und authentischer viele tausend Kilometer von seiner Heimat zu finden als dort, wo es ursprünglich entwickelt wurde – so man regionaltypisches überhaupt noch findet. Daher meinen Aufruf an alle Leser: rettet das deutsche Butterbrot, die Currywurst, Bier oder so profane Dinge wie Sauerkraut. Es macht doch viel mehr Spaß Gerichte dort zu essen, wo sie einst entstanden. Und mit diesen Worten werde ich den Kerner-Spätlese trocken aus der Pfalz austrinken und hoffen, dass ich bei meinen nächsten Spanienaufenthalt vielleicht doch noch auf eine Tapasbar stoßen werde, wo ich einen ordentlichen Rioja bekomme und die Garnelen in Olivenöl mit viel Knoblauch versetzt sind. Prost!

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