Gestern wurde ich in der Fleischabteilung im Kaufhof am Stachus von einem adrett gekleideten Herrn angesprochen, der mich auf ein neues, oder besser DAS neue Spa Centrum am Oberanger hinweisen wollte und mir gleichzeitig eine gratis Entspannungsmassage zum Testen anbot. Ich hätte Glück, denn ausgerechnet heute wäre in der Parfümabteilung ein kleiner Promostand, an dem nette junge Damen stünden und mir mit Freude und Hingabe eine kleine Kostprobe des Leistungsspektrums des Schönheits- und Entspannungsunternehmen MediaSpa geben könnten. Ich bräuchte mir auch keine Sorgen machen, da es sich hier um Deutschlands erstes Spa Center nur für Männer handle und man wisse genau, welche Treatments man(n) benötige, damit der erfolgreiche Mann von heute jung, erfrischt und entspannt die Widrigkeiten des Alltags überstehen kann.

Im ersten Moment war ich etwas konstaniert, da der freundliche Herr mit dem Massagegutschein mich mitten in der wichtigsten Entscheidungsfindung der Woche, nämlich die für den Sonntagsbraten, überraschte. Susanne und ich standen am Kühlregal und diskutierten die Alternative Schweineschulter oder Rinderbrust. Meine Gedanken kreisten in diesem Moment also weniger um meine charmanten Lachfältchen in den Augenwinkeln oder ob die selbst fabrizierte Maniküre meine Hände state-of-the-art sind, sondern mehr um mein leibliches Wohlbefinden. Mein erster Gedanke war, sehe ich wirklich schon so alt aus, dass ich eine Packung schimmelnde Algen auf mein Antlitz schmieren muß, um jünger zu erscheinen? Ehrlich gesagt habe ich mich mein ganzes Leben noch nie um Cremes und Duftwässerchen gekümmert, da ich (übrigens immernoch) der Meinung bin, dass wahre Schönheit von Innen kommt und was das betrifft bin ich eine nie verglühende Sonne. Das ist meine innere Überzeugung und ich weiß, dass ich diese positive Energie an meine Umwelt abgebe, gar verschenke und damit meine Mitmenschen jeden Tag etwas glücklich mache.

Nun wollte ich den netten Herrn natürlich nicht gleich vor den Kopf stoßen und ließ ihn noch etwas über die Vorzüge von MediaSpa referieren („Sie brauchen keine Angst haben, unser Unternehmen ist explizit nur für Männer“ – ich weiß nicht, welchen Eindruck Susanne und ich vor dem Kühlregal abgaben, aber ich habe definitv KEINE Angst vor Frauen! Es beunruhigt mich viel mehr wenn ich höre, dass da nur Männer herumlaufen. Ich wohne mittlerweile lange genug in einer sehr homophilen Gegend um zu wissen, was man sich darunter vorstellen kann). Außerdem wollte ich auch die günstige Gelegenheit nutzen, von netten Damen massagetechnisch verwöhnt zu werden. So ließ ich den Herrn seine Verkaufsargumente vortragen. Normalerweise unterstütze ich keine Strukturvertriebler, aber wie gesagt, in diesem Fall konnte ich eine Ausnahme machen.

Um es kurz zu machen. Nach der Entscheidung für den Rinderbraten und Beendigung unseres samstäglichen Shoppingmarathons stellte ich mich erschöpft und mit meinem Gutschein bewaffnet an die überdimmensoinierte, ergonomisch geformte Massageliege, die bereits mit blütenweißen Frotteehandtüchern ausgelegt war und nur darauf wartete, von mir bestiegen zu werden. Zur meiner Verblüffung wurde ich gleich von drei hübschen Damen (brünett, schwarz und rothaarig- aha, für jeden Geschmack also was dabei. Gutes Marketing!) in Empfang genommen die mir meine ersten Beautybehandlung meines Lebens andienten. Fälschlicherweise ging ich von einer Rückenmassage aus, leider gab es „nur“ eine Hand und Kopfmassage. Die Situation muß ähnlich gewirkt haben wie seiner Zeit die Palmolive Werbung mit Tilly (wer erninnert sich nicht „Sie baden gerade Ihre Hände drin. – In Geschirspülmittel? – Nein, In Palmolive, mit natürlichem Protein!“). Ich reichte den zwei Damen zu meiner Rechten und zur Linken meine Hände, die alsdann sofort damit begannen, mir die Hände mit einer Paste aus Meersalz und wertvollen Ölen einzumassieren, um die Haut von Schuppen zu reinigen und die Poren der Haut wieder zum Atmen zu bringen. Dann gings mit einer klassischen Handmassage weiter und zum Schluß wurden die Hände noch mit ich weiß nicht was für einer Edelcreme einbalsamiert. Währenddessen massierte mir die Dritte im Bunde die Kopfhaut. Ich muß gestehen, ich habe schon schlimmere Situationen im Leben durchlebt. Von den gaffenden Blicken der vorbeirauschenden Kunden und Angestellten einmal abgesehen, hätte ich gerne den ganzen Nachmittag in dieser Position verbracht. Zum Schluß gab es noch eine Tüte mit Pröbchen der Hauseigenen Pflegeserie, ein paar Unterlagen (diese lesen sich überigens sehr unterhaltsam) und einen Schuhlöffel. Das, lieber Leser, ist mir allerdings immernoch nicht ganz klar, wieso gerade ein Schuhlöffel. Wäre ein Nagelbürste oder ein Nasenhaartrimmer nicht etwas passender?

Ich für mich habe aber beschloßen, dass ich mich demnächst für ein „Treatment“ anmelden werde. Auch wenn ich mich nicht „auf eine Presentation, ein Foto-Shooting oder TV-Auftitt“ vorbereite (siehe Prospekt). Aber nächstes Wochenende kommt Verwandschaft zu Besuch und „Männer sind (zwar) belastbar. Aber irgendwo ist auch eine Grenze. Die körpereigene Abwehr ist geschwächt. Und der Geist ist erschöpft. Das Ergebnis: Energieverlust. Und das sieht man Ihnen an“. Gott sei Dank gibt es endlich die Wellnessoase für den modernen Mann. Ich muß mal meinen Vater fragen, wie er den Energieverlust wegsteckte, wenn seine Schwiegermutter zu Besuch kam. Ich denke, zu seiner Zeit hat man(n) gleich zum Alkohol gegriffen, bevor es überhaupt zu einem Energieverlust kommen konnte. Das ist bestimmt die preiswertere Alternative. Aber für den frischen Look am Tag danach hilft dieses Konzept nicht wirklich weiter und die strapazierte Kopfhaut wird auch nicht von jungen Damen liebkost….

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