skandinavian sex KinoWieder einmal habe ich keine Kosten und vor allem Mühen gescheut, mich in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele zu begeben, um mein vewöhntes Lesepublikum mit einem weiteren Highlight aus dem vielfältigen Kulturleben des Glockenbachviertels zu beglücken. Mein personal culture scout Susanne entdeckte die „delirio erotico“ im Werkstattkino in der Frauenhofer Straße, das zum „sixties sexploitation film weekend“ einlud. Leider verpassten wir den ersten Abend, an dem es die „Einführung in die bizarre Welt des skandinavischen Sexfilms der 60er und 70er Jahre anhand zahlreicher Filmbeispiele“ gegeben hätte. Hier hätten wir bestimmt eine Menge lernen können, z.B. was der aufgeklärte Schwede oder Däne der sechziger Jahre der Pornoindustrie der nachfolgenden Jahrzehnte an Innovationen und intellektuellen Inhalten schenkte.

So sahen wir uns am zweiten Abend den Klassiker „Venom“ von 1966 an. Ich muß zugeben, es war das erste Mal, dass ich das Werkstattkino besuchte und wie vermutet ist diese Lokalität passend zum linksintellektuellem Programm in einem Hinterhofkeller beheimatet. Schon der Eingang lockt mit vielen, teils liebevoll von Hand ausgeschnittenen und nachcolorierten Flyern, die von Punkfestivals, Schwulen- und Lesbenfilmen und Underground Theateraufführungen unbekannter Laiengruppen berichten. Wir kamen pünktlich und waren scheinbar die einzigen Gäste, erst nach und nach kamen weitere Pärchen, sodaß der Vorführraum schlußendlich doch zur Hälfte gefüllt wurde. Ich schätze also, dass ca. 20 kulturell interessierte Menschen anwesend waren. Alle – außer Susanne und mir – im klassischen Berlin Mitte Style gehalte (fettige Haare, schlecht sitzende Klamotten, Hornbrille, wahnsinnig gebildet, aber alles politisch korrekt und Geld ist scheiße und so, wa) und wahrscheinlich alle wie wir interessiert am Liebesleben der Dänen vor 40 Jahren. Der ein oder die andere wird vielleicht auch insgeheim gehofft haben, neue Anregungen für das private Liebesleben zu finden. Dieser stille Wunsch wurde aber leider bereits im Vorhinein vereitelt, da uns Jack Stevenson, der „Experte des bizarren Kinos und unerschöpflicher Sammler des psychotronischen Films“ (scheinbar die diplomatische Ausdrucksform für Schweinkram), in seiner Einführung darauf hin wies, daß wir leider nicht in den Genuß kommen würden, die expliziten Szenen unzensiert sehen zu können. Es handele sich um die offizielle Kinoversion von 1966 und damals gab es leider noch den Diskurs, was gezeigt werden dürfe und was nicht. Und da man die Szenen nicht komplett hinaus schneiden wollte, behalf man sich, diese mit einem großen, weißen X zu kennzeichnen. Der kluge Zuschauer hätte ja Tags zuvor alle Szenen unzensiert im Zusammenschnitt sehen können. Mist, das nenne ich ganz, ganz schlechtes Timing.

Nicht jedes Filmplakat entsricht unserem heutigen ästhetischen Empfinden.

Nicht jedes Filmplakat entsricht unserem heutigen ästhetischen Empfinden.

Immerhin ist die Getränkeauswahl des Kinos klein aber fein, sodaß ich mich wenigstens an einer Flasche gut gekühltem Tannenzäpfle festhalten konnte. Der Kenner weiß, ich rede hier vom besten Bier der Welt aus dem Herzen des Schwarzwalds, das es leider nur in wirklich ausgesuchten Lokalitäten zu kaufen gibt. Der Kinobesitzer hat hiermit großes Know-how und Weltgewandheit bewiesen.

Zu meinem Leidwesen setzte sich ein Hüne mit Atemproblemen neben mich. Ich weiß nicht, ob er nur durch ein Nasenloch oder einen halben Lungenflügel atmete, aber der gute Mann (der weit jünger als ich selbst war) schnaufte schlimmer als eine Dampflokomotive kurz vor der Ausmusterung. Gott sei Dank handelte es sich bei Venom um einen Film im Originalton mit englischen Untertiteln, dass heißt ich mußte mich nicht auf den Ton des Films konzentrieren. Was insofern auch gar nicht abträglich war, da man die Filmmusik einen billigen Abklatsch der Beatles nennen könnte. Da der Hauptdarsteller seinerzeit in der Band „Sharks“ als Leadsänger spielte und diese Kombo 1966 das heißeste war, was die dänische Musikszene zu bieten hatte, konnte ja auch nichts anderes als passendes Tonmaterial auf diesen Szenefilm gebannt werden. Ich hoffe allerdings, dass sich im Laufe der vergangen Jahrzehnte die dänische Popmusik weiter entwickeln konnte und tat.

Um es kurz zu machen, dieser 90 Minuten Schwarz-Weiß Film mit dünner Handlung und leider ohne explizite Szenen war nicht ganz das Filmerlebnis wie erhofft. Ich war ganz froh, daß es keinen Abspann gab, da die Gefahr, dass das Berlin-Mitte Publikum das filmische Kunstwerk bis zum bitteren Ende hätte auskosten wollen,  sehr groß gewesen wäre. Wir hätten besser den Film schauen sollen, der direkt danach angeboten wurde. Es handelte sich um Blue Climax II. Der Kenner weiß sofort, hier handelt es sich um die „dekadent-verwegene Produktion aus der Werkstatt des Lasse Brauns und Harrison Marks“, der das Vorbild für die Hauptfigur von Michael Powells peeing Tom war. Meine Recherchen im Internet haben ergeben, dass wir hier von echter, ehrlicher Pornografie der frühen 70er Jahre sprechen, wo Männer noch Schnauzbärte trugen und Frauen noch unter Achseln und anderswo mit üppigen Pelz zu überraschen wussten. Und das Beste: hier handelt es sich um einen Farbfilm! Ich bin auch sicher, dass hier die spannenden Szenen nicht mit weißen X-en übertüncht wurden. Denn sonst könnte man ja gleich ein erotisches Hörspiel in den CD-Player legen.

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Die Titel waren seinerzeit etwas eleganter als heute. Dennoch ist es leicht zu verstehen, was der Inhalt des Films sein wird.

Wir haben uns Teil 2 jedenfalls nicht mehr gegeben. Mein Bedürfnis für Kultur war für diesen Abend befriedigt. Vielleicht probieren wirs beim nächsten Erotik Special im Werkstattkino. Mit etwas Glück gibt es dann den Schwerpunkt Italien und Rocco Barocko berichtet über die große Wirkung des Spaghetti-Pornos auf die amerikanische Filmindustrie der 90er Jahre. Bis dahin werde ich bestimmt noch das ein oder andere Mal das Werkstattkino aufsuchen. Erstens ist es verglichen zu den klassischen Kinopalästen unglaublich billig und zweitens gibt es nicht viele Orte in München, wo es Tannenzäpfle Bier gibt. 😉

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